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Ivy - Steinerne Wächter (German Edition)

Ivy - Steinerne Wächter (German Edition)

Titel: Ivy - Steinerne Wächter (German Edition)
Autoren: Sarah Beth Durst
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sie weitere Fragen stellen konnte. Mom warf ihr eine Kusshand zu und folgte ihm eilig. Lily fühlte sich wie ein Kleinkind, das man zum ersten Mal allein im Kindergarten gelassen hatte. Verloren blickte sie den beiden nach, wie sie aus dem Tor und die Straße hinuntergingen.
    Der tigerhaarige Junge sah den beiden ebenfalls nach.
    Die Straße (den Schildern nach handelte es sich um Prospect Avenue) wurde in beiden Richtungen von zahlreichen Landhäusern gesäumt – noch mehr Eating Clubs, vermutete Lily. Sie entdeckte eine übergroße Villa im Kolonialstil mit weißen Säulen und einer breiten Veranda und ein riesiges Monstrum aus Ziegelsteinen mit einer orange-schwarzen Kanone im Vorgarten. Die Gebäude hatten allesamt ihre besten Zeiten schon hinter sich. Farbe blätterte von den imposanten Eingangstüren, hier und da waren Fenster mit Sperrholz vernagelt. Auf einem der Dächer stand ein Sofa. Ihr wollte nicht in den Sinn, wie oder warum um alles in der Welt jemand ein Sofa auf ein Dach stellen sollte.
    Ich bin so gar nicht bereit für das hier, dachte sie.
    Grandpa und Mom passierten das Haus mit der Kanone im Vorgarten. Lily wäre ihnen am liebsten hinterhergestürmt. Doch die Worte ihres Großvaters ließen sie wie angewurzelt stehen bleiben. Sie durfte ihn nicht enttäuschen! Wenn sie ihm jetzt nachlief, direkt hier vor Vineyard Club! Sie stellte sich vor, wie die Old Boys heimlich oben aus den Fenstern spähten und missbilligend mit der Zunge schnalzten. Die Gehstock-Matrone besaß vermutlich ein Notizbuch, in dem sie jede einzelne von Lilys Unzulänglichkeiten festhielt: spricht nachlässig, trägt verschiedene Socken, macht keinen höflichen Knicks zur Begrüßung, ist nicht clever oder hübsch oder selbstbewusst genug … Hör auf damit, befahl sie sich. Sie konnte es schaffen. Grandpa glaubte fest an sie. Sie flippte bloß aus, weil sie nicht damit gerechnet hatte, schon so bald mutterseelenallein auf diesem riesigen Unicampus zu stehen.
    Aber sie war ja gar nicht allein. Dort drüben stand der Junge mit den Tigerhaaren.
    Lily musste grinsen. Ja, klar. Als ob sie einfach so mir nichts dir nichts zu einem echten Collegeboy hinübergehen und ihn über den Ivy Key ausfragen könnte. Er lehnte immer noch an der Ziegelmauer, cool und lässig wie ein moderner James Dean. Auf keinen Fall konnte sie ihn ansprechen. Er war nicht ihre Liga. Sie stammten ja kaum aus demselben Universum. Es reichte schon, dass sie an ihm vorbeimusste.
    Denn das würde sie müssen, daran bestand kein Zweifel. Und zwar bald. Wenn sie weiter hier auf der Eingangstreppe rumstand wie ein verängstigtes Mäuschen, würden die Old Boys sie zur schlechtesten Kandidatin abstempeln, die ihnen je unter die Augen gekommen war, und dafür sorgen, dass ihre Bewerbung von keinem College der Welt mehr angenommen werden würde, außer vielleicht von einer dieser Online-Unis, deren Werbung sie immer im Kino sah. Lily befahl ihren Füßen, sich in Bewegung zu setzen. Als sie an dem Jungen vorbeikam, waren ihre Nerven bis zum Zerreißen gespannt. Sie zwang sich mit aller Kraft, ihn nicht anzusehen. Denn wenn sie das tat, würde sie den Blick nicht mehr abwenden können.
    Auf dem Gehweg blieb sie stehen. Links oder rechts? Sie entschied sich für rechts. Grandpa sollte nicht denken, dass sie ihnen nachlief.
    »Andere Richtung«, sagte Tigerboy von hinten. Seine Stimme klang weich, irgendwie samtig.
    »Meinst du mich?«, fragte sie und drehte sich um. So aus der Nähe wirkte sein Haar erstaunlich natürlich. Weiches Orange und Schwarz gingen ineinander über wie im Fell einer echten Tigerkatze. Ein paar freche Strähnen hingen ihm in die Augen. Wie es sich wohl anfühlt, sie ihm aus dem Gesicht zu streichen? Verlegen senkte Lily den Blick und tat, als inspiziere sie ihre Turnschuhe.
    »Der eigentliche Campus ist links«, wiederholte er. »Rechts sind nur ganz gewöhnliche Häuser. Furchtbar langweilig. Es sei denn, man ist zu einem Barbecue eingeladen.«
    »Barbecues sind toll«, sagte Lily. Oh Gott, was redete sie da bloß? Wieso sprach sie mit ihm über Barbecues? »Es sei denn, natürlich, man ist Vegetarier.«
    »Natürlich«, stimmte er liebenswürdig zu.
    Sie spürte, wie sie rot wurde. Das hier war der erste Collegeboy, der sie jemals angesprochen hatte, und jetzt hielt er sie bestimmt für eine komplette Idiotin. Sie versuchte, sich einzureden, dass es keine Rolle spielte, was er von ihr dachte. Selbst wenn er extrem cool aussah und eine wunderbare
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