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Italienische Märchen

Italienische Märchen

Titel: Italienische Märchen
Autoren: Clemens Brentano
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Zipflore, die bucklichte Jungfer Radebärbl, die witzige Fräulein Spulendoris, die scharfsinnige Frau Hecheltonie, die Jungfer Weifenseppel, die eifrige Fräulein Haspelrosa, die emsige Frau Spindelmarthe und die zierliche Jungfer Kunkelriecke.
    Als diese zuerst fertig waren, wurden sie in das Schloß geführt, die andern aber, welche aus der Stadt waren, wurden reichlich beschenkt nach Hause geschickt; die aber vom Land wurden auch, reichlich beschenkt, auf mehrere Wurstwagen mit ihren Spinnrädern gesetzt und wieder nach Hause gefahren.
    Die zehn Auserwählten mußten sich im Schloßgarten mit ihren Spinnrocken im Halbkreise setzen. In der Mitte saß die böse Mohrin Rußika; auf dem Schoße hatte sie das mit roten Windeln zugedeckte Prinzchen, auf dem Arm die goldspinnende Puppe, zur Linken saß der schöne Papagei auf einer Stange, zu ihren Füßen in einem silbernen Hühnerkorb aber die Goldglucke mit den zwölf Küchlein, und über die ganze Gesellschaft war ein Teppich gegen die Sonne gespannt; und damit die Gesellschaft recht vollkommen sei, hatten sich ein Klapperstorch, ein Gockelhahn und ein Pfau oben auf den Baldachin gesetzt; auch viele Vögel, Katzen, Kaninchen und Hündchen fanden sich ein, und einige Edelknaben trugen mancherlei Zuckerwerk, Eingemachtes, getrocknete und frische Früchte umher, und auch süße Weine wurden im Überfluß gereicht, nach welcherlei Leckereien die alten Spinnerinnen sehr lecker sind und die Finger darnach lecken, was zum Spinnen sehr nötig ist.
    Sie hatten sich alle erquickt und wollten soeben den nahen Springbrunnen, der wie ein Schulmeister solcher Gesellschaft ihnen unermüdet vorplauderte, plätscherte und murmelte, mit Geschwätz und Rädergeschnurr überlärmen, als Röhropp sich erhob und sprach: »Tugendbare, wehrlose Jungfern, ehegeborne lehnreiche Fräulein und hochachtzigbare und hochwürdige Makronen, des edlen Spinnordens kunkelhafte Spuldamen, Spindelfräulein und Rockenmägdlein! Sie haben sich hier versammelt, um die große Begierde meiner teuern Rußika nach Märchen zu stillen. Wir werden also alle Abend hier beisammensitzen und der Reihe nach die schönsten Geschichten hören, welches meiner Rußika zum Trost, allen Zuhörern zum Vergnügen und der Erzählerin zur Ehre gereichen wird. Denn nichts ziert einen erfahrnen Menschen so sehr, als wenn er schöne Geschichten zu erzählen weiß, Geschichten, bei deren Anhörung der Weber sein Schiff, der Advokat seine Feder, der Apotheker seinen Mörser, der Scherenschleifer sein Rad und Kinder ihr Butterbrot ruhen lassen, um besser zuhören zu können. Es ist die Neugierde meiner Rußika sehr wohl zu entschuldigen; denn es sprechen große Philosophen: »Wie uns an der Wiege gesungen wird, so werden wir wieder singen«; und so erzählt denn nach der Reihe schöne Geschichten, damit mein schönes Prinzchen, welches so munter unter der Purpurdecke im Schoße Rußikas schnarchet, sich etwas Angenehmes träumen lasse.« Nach diesen Worten sagte die neugierige Frau Spindelmarthe, ob es denn nicht erlaubt sei, den kleinen allerliebsten Prinzen ein wenig zu betrachten, worauf Rußika befehlend antwortete:
Mein schönes Kind,
Das zeig ich nicht,
Es wird mir blind,
Vom Sonnenlicht.
     
    Da versetzte Fräulein Spuhlendoris: »Die Sonne ist schon unter, es kann ihm gar nichts schaden.« Rußika aber machte ein so zorniges Gesicht, daß Prinz Röhropp sagte: »Meine Damen! beunruhigen Sie meine Rußika nicht! Habe ich doch das Glück selbst noch nicht gehabt, das liebe Prinzchen zu sehen. Lassen Sie uns zu unsern Erzählungen schreiten. Fünf Geschichtchen an jedem Abend, so sind wir in zehn Tagen mit den fünfzig Märchen fertig. Wohlan, Jungfer Elsefinger!«, welche ihren Rocken zuerst abgesponnen hatte, »Sie haben die erste Stimme.«
    Jungfer Elsefinger rückte sich zurecht, nahm eine frische Feige in den Mund, damit er ihr beim Erzählen und Fingerlecken nicht trocken werden solle. Da rückten sich alle in die Ordnung und horchten: die Frauen, die Spinnpuppe, das Papperle, die Goldglucke mit den Küchlein, der Pfau, der Storch, der Gockelhahn und die Turteltaube und die Katze und das Seidenhäschen, und das Hündchen und das Mäuschen schwiegen mausstill, der Brunnen plätscherte leiser, die Grillen hörten auf zu zirpen, die Käfer brummten nicht mehr, die Bienen schlüpften in die Lilienkelche und lauschten; aber leuchtende Johanniskäfer schwebten durch die warme Luft, und die Spindeln schnurrten angenehm um die
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