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Italienische Märchen

Italienische Märchen

Titel: Italienische Märchen
Autoren: Clemens Brentano
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manchmal mit ihnen, zur großen Verwunderung der Stadt, vor ihnen auf ihrem Schimmelchen spazieren. Wenn sie zu Hause war, saß sie meist auf einem kleinen Turm und sah mit großer Betrübnis in den Schloßgarten gegenüber, wie Prinz Röhropp unermüdlich mit tausend Gefälligkeiten um die falsche schwarze Mohrin beschäftigt war, gleich einer Fledermaus, die um die Nacht herumfliegt. Aber es sollte bald anders werden; er sollte sich bald um Liebseelchen bemühen wie ein Adler, der um die Sonne fliegt.
    Einstens morgens, da Prinz Röhropp zu der schwarzen Rußika kam, hatte diese eine goldene Wiege neben sich stehen und in ihrem Arm ein mit Purpurwindeln bedecktes Päckchen. »Ach!« rief Prinz Röhropp aus, »hätte der Himmel meine Wünsche erhört und mir ein kleines liebes Kindchen geschenkt! O zeige mir es, liebste Rußika!« – »Ja«, erwiderte diese,
»Ein schönes Kind,
Doch zeig ichs nicht,
Es wird sonst blind
Vom Sonnenlicht.
     
    Gedulden Sie sich, mein Prinz, Sie werden es schon früh genug sehen.« Hierüber ward der Prinz betrübt und sah zum Fenster hinaus, und da ritt Liebseelchen gerade auf ihrem Schimmelchen vor ihren schönen Dienerinnen über den Platz.
    Da der Prinz sie sah, grüßte er sie; sie erwiderte den Gruß und ließ ihr Pferdchen so schön springen und tanzen, daß der Prinz vor Freuden ausrief: »Ach, welche wunderschöne Prinzessin! die ist ja, als wenn sie gerade aus dem Himmel herabgekommen wäre!« – Da Rußika dies hörte, sagte sie voll Zorn:
Prinz Röhropp du!
Machs Fenster zu,
Oder ich bringe dir große Not,
Steche mit der Nadel das Prinzchen tot.
     
    Da erschrak Röhropp sehr, machte das Fenster zu und sah nicht mehr hinaus.
    Liebseelchen war sehr erfreut gewesen über den freundlichen Gruß Röhropps. Aber das war eine kurze Freude. Sie lauerte wohl Tage lang am Fenster, er ließ sich wegen der Drohung der Mohrin nicht mehr sehen.
    Als Liebseelchen einstens in traurigen Gedanken am Fenster saß, erblickte sie gegenüber die böse Rußika mit ihrem bedeckten Wickelkind auch am Fenster sitzen. Da ward sie so betrübt, daß sie aus großer Not und Pein eine von den goldenen Wünschelnüssen der alten Mütterchen aufbiß, und siehe! ein wunderschöner, bunter, kleiner Papagei flog heraus und um Liebseelchen herum und gaukelte wie ein Affchen und plauderte und sang allerlei allerliebstes Zeug durcheinander. – Rußika hatte kaum den Vogel gesehen, als sie rief: »Röhropp! Röhropp!« und da der Prinz ihr nahte, zeigte sie auf den Vogel und sagte:
Prinz Röhropp, gleich
Papperle mir reich!
Oder ich bringe dir große Not,
Steche mit der Nadel das Prinzchen tot.
     
    Was sollte der arme Prinz anfangen? Er mußte gleich einen Edelknaben hinüber zu Liebseelchen schicken und sie fragen lassen, ob sie ihm das schöne Papperle nicht verkaufen wolle. Liebseelchen erwiderte dem Boten, sie sei keine Krämerin, sie habe nie etwas verkauft; aber sie mache sich eine Ehre daraus, dem Prinzen das Papperle zu schenken, und so überreichte sie dem Edelknaben den Vogel, der ihn hinüber zur garstigen Rußika brachte.
    Vier Tage darauf saßen Liebseelchen und Rußika wieder am Fenster, und Liebseelchen knackte die zweite Wünschelnuß auf. Aus der kam eine schöne goldene Henne mit zwölf goldenen Küchelchen, welche um sie herum pickten und piepten. Die Henne gluckte so süß wie eine Flöte und nahm sie unter die Flügel, und das war so wunderlieblich anzusehen, daß Rußika die kleine goldene Brut kaum erblickt hatte, als sie rief: »Röhropp! Röhropp!« Der Prinz kam. Die Mohrin zeigte hinüber und sagte:
Prinz Röhropp, gleich
Goldglucke mir reich,
Oder ich bring dir große Not,
Steche mit dem Messer das Prinzchen tot.
     
    Röhropp kannte die zornige Gemütsart der Rußika; er konnte nicht anders, er schickte abermals den Edelknaben hinüber und ließ tausendmal um Entschuldigung bitten, daß er so unglücklich sei, um die Goldglucke bitten zu müssen; und Liebseelchen gab die Goldglucke und die zwölf Küchlein hin.
    Vier Tage gingen abermals vorbei. Liebseelchen saß wieder am Fenster, und gegenüber die böse Mohrin. Da knackte Liebseelchen die dritte Nuß auf, und sieh! eine kleine wunderschöne Puppe kam heraus. Sie hatte einen kleinen Spinnrocken in der Hand und spann Gold, und drehte die Spindel so artig und leckte die Fingerchen so zierlich, daß es eine Freude war, sie anzusehen. Kaum hatte Rußika dieses Wunderpüppchen gesehen, als sie dem Prinzen rief, hinüberzeigte und
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