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Ist Schon in Ordnung

Ist Schon in Ordnung

Titel: Ist Schon in Ordnung
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fallen. Seine Schwester kommt dazu, bückt sich und hilft ihm, es macht Spaß, ihnen zuzusehen, von ihnen geht ein Sog aus, dabei habe ich auch Geschwister. Einen Bruder und eine Schwester. Das heißt, ich hatte einen Bruder. Letztes Jahr fuhr er mit einem Volvo Amazon, der ihm nicht gehörte, geradewegs in die Glomma und ertrank. Es geschah zig Kilometer von dem Ort entfernt, an dem wir wohnten, bevor wir nach Veitvet zogen. Es war ein Amazon mit allem Drum und Dran: Fuchsschwanz an der Antenne, GT -Lenkrad und Teddybezug auf den Vordersitzen.
    Das Mädchen, das dabei war, hat überlebt. Sie hat geweint und behauptet, sie hätten nichts genommen. Das glaube ich nicht. Egil war im Herbst davor fünfzehn geworden und hatte selbstverständlich keinen Führerschein. Nach unserem Umzug, als er alt genug war, um allein loszuziehen, fuhr er so oft wie möglich in unser Dorf. Ich tat das nicht. Ich fahre nur hin, wenn ich muss.
    Meine Schwester zog zur selben Zeit zu Hause aus. Sie ist vier Jahre älter als ich, und natürlich musste auch sie dorthin zurück. Sie wohnt zusammen mit einem Typ in Kløfta. Er ist Gebrauchtwagenhändler und verdient Geld. Ich bin sicher, dass er sie schlägt, aber ich habe es nie gesehen, und Kari sagt nichts. Sollte ich ihn einmal dabei erwischen, prügele ich ihn windelweich. Das ist kein Problem. Ich trainiere seit Jahren, von dem Zeitungsgeld habe ich mir eine Bank und Gewichte gekauft.
    Das sage ich auch zu meiner Mutter:
    »Ich prügle ihn windelweich«, sage ich. Und sie hört mirzu und zitiert den Schweden Lars Ekborg aus dem Radio. Er macht so eine Quasselsendung, in der es um das Elend der Welt geht und die mit den Worten endet: Hart durchgreifen müsste man!
    »Willst du, dass wir so leben?«, fragt sie und lacht. Man kann leicht seine Witze darüber machen, das ist schon klar, aber ich weiß, was ich weiß.
     
    Ich erinnere mich, wie Egil und ich in unserem alten Haus in der Stube auf dem Boden spielten. Dort stand ein großer Schrank, unter den wir gerne krochen. Mein Opa, der in einem Sägewerk im Nachbardorf arbeitete, hatte ihn aus dunklem Holz gemacht und mit Glastüren versehen. Der Schrank war schön, das größte Stück, das er je gemacht hat, aber das Ding muss ihn seiner Schöpferkraft beraubt haben, denn danach hat er kein Möbelstück mehr gebaut.
    Da kam mein Vater ins Zimmer. Es war spätabends, wir sollten längst im Bett sein. Er lehnte sich an den Türrahmen und sah uns mit einem albernen Lächeln an.
    »Gibt es hier ein paar liebe Kinder?«, lallte er. Er wirkte betrunken. Ich hatte ihn schon oft betrunken gesehen und wusste, was das hieß.
    »Na klar«, sagte Egil und kroch unter dem Schrank hervor, wo er sich versteckt hatte. Er war damals ein richtiger Naseweis, der zu allem ja sagte, wenn er glaubte, es gäbe was zu holen. Ich blieb auf dem Boden sitzen und sah, wie mein Vater bleischwer am Türrahmen lehnte. Ich traute ihm nicht.
    Er stieß sich vom Türrahmen ab und wankte über den Teppich auf uns zu.
    »Seht her«, sagte er, griff in die Brusttasche und zog ein paar Geldscheine heraus, »hier ist ein Groschen für zweiliebe Buben.« Etwas wacklig beugte er sich vor und drückte uns mit einem breiten Grinsen je einen blauen Fünf-Kronen-Schein in die Hand.
    »O danke, danke«, rief Egil und rannte durch das Zimmer, hüpfte in die Luft, »vielen Dank, Papa, du bist ganz lieb!«, rief er. Ich spürte den steifen, knisternden Geldschein in der Hand. Fünf Kronen waren viel Geld für mich. Zu dem, was ich bisher gespart hatte, fehlte jetzt nicht mehr viel, dann reichte es für den lackierten Bogen im Sportgeschäft am Bahnhof.
    Ich betrachtete meinen Vater, der mitten im Zimmer stand, die Hände in den Hüften, den Kopf schiefgelegt, er sah jetzt nicht mehr so betrunken aus, er folgte uns mit wachsamen Augen, und diese Augen hatten einen Glanz, der mir nicht gefiel. Plötzlich begann er laut zu lachen, er lachte und lachte, und mit einem Mal wurde sein Gesicht ganz hart, er kam auf uns zu, riss uns die Geldscheine aus den Händen und sagte:
    »Genug gelacht für heute!« Ohne zu wanken, drehte er sich um, steckte die Geldscheine zurück in die Brusttasche und ging gerade wie eine Fahnenstange zur Küche. »Ab ins Bett mit euch, es ist spät«, sagte er.
    Zuerst blieb mein Bruder mit offenem Mund im Zimmer stehen, dann fing er an zu heulen wie ein Baby. »Huh!«, heulte er, »huh!« Die Tränen kullerten aus seinen Augen, und ich ging schnell auf ihn zu und
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