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Ist Schon in Ordnung

Ist Schon in Ordnung

Titel: Ist Schon in Ordnung
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ohne eine Antwort abzuwarten. Er hielt sie auf und winkte mich hinein. Alle sahen uns an. Ein Mädchen kicherte. Ich spürte ihn dicht hinter mir und hielt mich bereit, falls er auf dumme Gedanken kommen sollte.
    »Das hier ist Audun Sletten, der neue Junge in eurer Klasse, von dem ihr sicher schon gehört habt. Er kommt von weit her, vom Land, ich möchte, dass ihr ihn freundlich aufnehmt. Auch er mag die Beatles. Die Sonnenbrille braucht ihr nicht zu beachten. Die sitzt fest.«
    Das Mädchen kicherte erneut. Sie hatte halblange schwarze Haare. Bevor er ging, beugte er sich zu mir herunter und flüsterte mir ins Ohr.
    »Wegen der Narben rufe ich deine Mutter an, das mache ich gleich.«
    »Wir haben kein Telefon«, sagte ich laut, aber er war schon weg.
    »Telefon haben nicht alle«, sagte der Lehrer, »aber gut zu wissen.« Die halbe Klasse lachte.
    »Du kannst dich an das freie Pult am Fenster setzen.« Er trug eine Brille mit Goldrand, seine Haare waren vorne ziemlich dünn, aber er sah aus, als würde er Sport treiben, denn das Hemd spannte über der Brust und an den Oberarmen. Ich ging nach vorn, am Katheder vorbei, dann die Reihe nach hinten durch und setzte mich an das Pult am Fenster. Die Tasche hängte ich an einen Haken auf der Seite. Es hatte aufgehört zu regnen. Die Sonne schien durch die Wolken, und das Licht machte den Schulhof zu einem See, blank, langgezogen, und ich stellte mir Flöße und eine Angel und einen Damm vor wie am Aurtjern, dort konnte man stehen und die Angel auswerfen, denn oft schwammendie Fische dicht an die Mauer heran. Als ich mich zur Tafel drehte, war auf einen Schlag alles schwarz, und erst allmählich wurde deutlich, was dort mit Kreide stand. Schließlich konnte ich es sogar mit Sonnenbrille lesen. WILLKOMMEN !, stand dort. Ich tauchte unter das Pult und krempelte den Rand der Stiefel wieder um.
     
    Es klingelte, und ich ging als letzter hinaus, wollte niemanden im Rücken haben. Der Lehrer hieß Levang. Er wollte mir die Hand geben und nett sein, also gab ich ihm auch die Hand, murmelte etwas, was ich selbst nicht verstand, und ging rasch weiter. Draußen auf dem Schulhof lief ich sofort zur anderen Seite und lehnte mich mit dem Rücken an den Zaun. Dahinter lag ein Fußballplatz, aber er war leer, von dem dunklen Kies stieg Dampf auf. Rechts von mir, auf dem Platz vor den Pavillons, liefen kleine Kinder hintereinander her, spielten Fangen und spritzten mit Wasser. Links vor dem Hauptgebäude standen die Großen in Gruppen und unterhielten sich. Ein paar Mädchen hüpften Gummitwist und hatten das Gummi unter den Achseln, und ein Junge mit Krücken kam direkt auf mich zu. Ich hatte ihn im Klassenzimmer etwas weiter vorn in der rechten Reihe gesehen. Jetzt sah ich mich um, aber am Zaun stand sonst niemand. Er hatte dunkle Locken und die gleichen Stiefel wie ich. Auf dem einen Rand stand KINKS und auf dem anderen HOLLIES . Das waren Popgruppen, aber ich hatte von ihnen keine Platten. Ich hatte überhaupt keine Platten. Zu Hause hatten wir nur Jussi Björling, aber ich besaß ein kleines Radio, das ich nachts anstellte.
    Er blieb ein paar Meter vor mir stehen, stützte sich auf die Krücken und lächelte.
    »Schicke Brille«, sagte er.
    Schicke Krücken, dachte ich, aber zum Glück sagte ich es nicht. In gewisser Weise waren sie tatsächlich schick, Teil seines Körpers bei jeder Bewegung, etwas, was er nicht beachtete, was einfach da war.
    »In zwei Monaten bin ich damit durch«, sagte er und folgte meinem Blick. »Ich habe sie seit einem Jahr. Mittlerweile komme ich ganz gut damit klar, aber ich habe die Schnauze voll.«
    »Was ist mit deinem Bein?«
    »Ein Autounfall.«
    »Und wie sah das Auto aus?«
    Er lachte so sehr, dass er fast von den Krücken fiel.
    »Keine Ahnung, ich habe es nicht gesehen. Ich wurde von hinten angefahren, dann war ich bewusstlos und wachte bei meiner Oma in der Kammer wieder auf.« Er lachte noch einmal, sein ganzes Gesicht lachte. »Und ich dachte, ich wär im Himmel, das erste, was ich beim Aufwachen sah, war nämlich eins dieser Bilder, auf dem JESUS LEBT steht.«
    »Glaubst du denn an Gott?«
    »Nein, an Gott habe ich noch nie geglaubt, aber als ich bei meiner Oma in der Kammer aufwachte, dachte ich, ich hätte mich vielleicht geirrt. Zum Glück fiel mir wieder ein, wo ich war und dass das Bild schon immer dort gehangen hatte.«
    Er stützte sich auf die Krücken, ließ das eine Bein über dem Bügel baumeln und lachte die ganze Zeit. Ich hatte
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