Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ist Schon in Ordnung

Ist Schon in Ordnung

Titel: Ist Schon in Ordnung
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
mir vorgenommen, mich in dieser Schule mit niemandem anzufreunden, aber bei ihm hier könnte es schwierig werden.
    »Stimmt was nicht mit deinen Augen?«
    »Ich vertrage kein Licht«, sagte ich und bereute es sofort, weil es nicht ganz der Wahrheit entsprach, aber es entsprachmehr der Wahrheit als andere Sachen, die ich gesagt hatte. »Ich muss dann sofort kotzen.«
    »Das ist nichts wofür man sich schämen müsste«, sagte er daraufhin, und dann stockte das Gespräch, und ich fühlte mich wie ein Verräter. Zum Glück kam ein Ball angerollt. Ich sah ihn zuerst und wollte ihn gerade wegkicken, aber da sah er ihn auch, nahm Schwung, nutzte die Krücken als Seitpferd und trat mit dem gesunden Bein so fest gegen den Ball, dass dieser bis zum anderen Ende des Schulhofs flog und dort an den Zaun knallte. Ein beeindruckender Schuss, auch wenn er auf dem Fußballplatz bestimmt nicht erlaubt war.
    »Nicht schlecht«, sagte ich, und er grinste und sagte:
    »Ich heiße übrigens Arvid«, und dann läutete die Pausenglocke.
     
    Diesmal fiel es mir leichter, den Klassenraum zu betreten, ich ging nicht als letzter hinein, aber die Brille behielt ich auf. Wenn sie mich in Ruhe ließen, wäre dieser Tag vielleicht erträglich.
    Als alle an ihren Pulten Platz genommen hatten, ging Levang zum Katheder und setzte sich ebenfalls, legte die Hände übereinander und ließ den Blick über die Klasse schweifen, bis er bei mir innehielt. Er lächelte breit, ich spürte, wie mein Nacken steif wurde, und dann sagte er mit richtig freundlicher Stimme:
    »Du, Audun. In der ersten Stunde blieb uns ja nicht mehr viel Zeit, aber ich dachte, du könntest uns jetzt vielleicht ein bisschen davon erzählen, wie es dort aussieht, wo du herkommst. Die meisten in der Klasse haben ja noch nie woanders als in Veitvet gewohnt. Wie heißt die Gegend, in der du aufgewachsen bist?«
    Ich hätte es wissen müssen. Er würde mich nicht in Ruhe lassen. Er war ein freundlicher Mann, das war von weitem zu erkennen, er wollte, dass ich mich wohlfühlte, dass sie mich besser kennenlernten. Ich zog die Schultern hoch.
    »Ich meine, es könnte für uns ganz interessant sein. Kommst du von einem Hof?«
    »Da gibt’s nichts zu erzählen«, sagte ich laut. Das schwarzhaarige Mädchen kicherte schon wieder.
    Levang lächelte, leicht rot im Gesicht. »Das kann nicht sein«, sagte er, »du bist dreizehn, du hast bestimmt schon eine Menge erlebt, wovon wir hier keine Ahnung haben.«
    »Da gibt’s nichts zu erzählen, hab ich doch gesagt!«
    »Bist du sicher?«, fragte er. Da stand ich auf, nahm meine Tasche vom Haken und ging zur Tür. Jetzt kicherte keiner mehr. Arvid drehte sich um und sah mich an, aber seine Augen verrieten nicht, was er dachte.
    »He, he, wo willst du hin?«, fragte Levang und stand ebenfalls auf, er machte ein paar Schritte, als wollte er mir den Weg zur Tür versperren. Meine Brust schnürte sich zusammen. Ich sah über seine Schulter zur Tür, begriff aber, dass ein Versuch sinnlos wäre.
    »Ich habe immer meine Hausaufgaben gemacht«, sagte ich, »habe im Unterricht immer aufgepasst. Sie können gern mein Zeugnisheft sehen, wenn Sie wollen, aber Sie haben nicht das Recht, mich nach Sachen zu fragen, die nichts mit der Schule zu tun haben.«
    »Aber Audun, ich glaube, du hast mich völlig missverstanden. So war es doch nicht gemeint«, sagte er und versuchte, meinen Blick einzufangen, aber ich sah an seinem Ohr vorbei und gab keine Antwort.
    »Okay, darüber reden wir ein andermal. Bitte setz dich wieder an dein Pult.« Ich drehte mich um und ging zwischenden Pulten hindurch, schaute kurz in Arvids Gesicht, bevor ich mich auf meinen Platz setzte, die Tasche zurückhängte und aus dem Fenster starrte.

II.

2
    D er Herbst kommt, und ich trage Zeitungen aus. Gerade ist Jimi Hendrix gestorben, im Radio läuft Hey Joe, und ich habe den Führerschein gemacht. Ich trage eine Lotsenjacke und eine Pepitahose mit Schlag, einen breiten roten Strickgürtel mit einer Schnalle ohne Dorn. Von den Knien abwärts sind glänzende Knöpfe an den Hosenbeinen angebracht. Das ist ganz neu, und man würde mich beachten, wenn mich jemand sähe. Aber es sind nicht viele wach, nur in einzelnen Fenstern brennt Licht, und als ich von den Blocks hinauf zum Botenbüro im Einkaufszentrum gehe, ist es Viertel nach fünf. Die Rasenflächen vor den Reihenhäusern schimmern silbern und kalt, und es ist noch nicht richtig hell. Außerdem habe ich mir nach mehreren Jahren mit langen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher