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Ist Schon in Ordnung

Ist Schon in Ordnung

Titel: Ist Schon in Ordnung
Autoren: authors_sort
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das anders. Und jetzt diese Frau. Sie riecht gut. Sie ist jedenfalls nicht über vierzig, hübsch ist sie auch. Mir wird heiß im Gesicht, und die Wörter, die ich sagen will, fallen in mich zurück und verschwinden, aber sie lächelt und mustert meine Pepitahose und die Haare und lächelt noch mehr, und dann streicht sie mir über die Wange, bevor sie die Tür schließt. Meine Wange brennt, und ich bringe kein Dankeschön heraus, nichts, stehe einfach nur da und betrachte die Tür, an der Karlsen steht. Ich weiß, dass sie einen Mann hat, aber ihn habe ich noch nie gesehen. Er ist bestimmt ein Idiot, denke ich, und in dem Moment breitet sich die Wärme aus, vom Gesicht über den Hals bis in die Brust.
    Ich öffne den Briefumschlag, darin liegt ein Hunderter. Hundert Kronen, verdammt, das ist zu viel. Es kribbelt in meinen Beinen, ich muss weg. Ich traue mich nicht, zurückzuschauen, vielleicht steht sie hinter dem Vorhang, sieht mir zu und erwartet etwas.
    Der Grevlingveien endet als Sackgasse, aber am Ende führt ein Fußweg an den U-Bahngleisen entlang hinauf zum Trondhjemsveien. Ich lasse das Wägelchen stehen, gehe so hoch, dass sie mich vom Fenster aus nicht mehr sehen kann, und lehne mich an den Drahtzaun neben dem Pfad, ziehe ein Tabakpäckchen aus der Lotsenjacke, drehe mir eine Zigarette und zünde sie an. Hinter dem Zaun geht es steil bergauf, und oben steht ein weißes Haus, in dem der Gefängnisinspektor wohnt, und die Felder darunter riechen im Frühjahr immer nach frisch verbranntem Abfall. Jetzt riechen sie feucht und modrig. Mich fröstelt, und ich nehme einen tiefen Zug von der Zigarette, und nach einer Weile fühle ich mich besser. Aber hundert Kronen, das ist nicht richtig.
    Ich rauche die Zigarette zu Ende, drücke sie mit dem Schuh auf dem Kies aus und werfe einen Blick auf den Trondhjemsveien, bevor ich wieder nach unten gehe, und plötzlich steht er da. Zwischen uns liegen vielleicht dreißig Meter, und ich habe ihn seit fünf Jahren nicht gesehen, aber ich erkenne ihn sofort. Die schwarzen Haare, der schwarze Schmuddelanzug, der so aussieht, als würde er darin schlafen, das undefinierbar graue Hemd ohne Schlips. Hals und Gesicht sonnengebräunt, das Kinn unrasiert grau, die unnatürlich blauen Augen, die ich jetzt nicht sehen kann, aber ich weiß, dass sie mich anschauen, ohne zu blinzeln. Ich bin wie gelähmt, und er steht ganz still. Ich versuche zu denken, aber ich denke nichts, und er kommt zwei Schritte den Fußweg herunter, und da schreie ich:
    » STOPP !« Er bleibt stehen, umklammert die Trageriemen seines Rucksacks und bewegt sich nicht weiter. Er ist schwarz und dünn wie eine Messerklinge und anders als alles andere. Hinter ihm sehe ich die Hochhäuser von Rødtvet, und dahinter nur noch Wald, und ich weiß, dass er von dort gekommen ist. Würde ich neben ihm stehen, könnte ich den Geruch nach Lagerfeuer und Tannennadeln, Harz und Tabak wahrnehmen und nach noch etwas, was nur er hat. Aber ich stehe nicht neben ihm, und er kratzt sich am Kinn, schüttelt den Kopf, und mir wird klar, dass ihm erst jetzt aufgeht, wer ich bin. Das ist nicht weiter verwunderlich. Ich bin ziemlich gewachsen, seit ich dreizehn war, ich trage andere Klamotten und habe eine andere Frisur. Er hebt die Hand zum Gruß wie ein Indianer und geht ein paar Schritte weiter, und ich bin fast sicher, dass er lächelt.
    » KEINEN SCHRITT WEITER! «, schreie ich. » WAS MACHST DU HIER? VERSCHWINDE! « Ich nehme die Hände hoch, balle sie zu Fäusten und spüre am ganzenKörper, dass ich stärker bin als er. Er bleibt stehen und stemmt die Hände in die Hüften, legt den Kopf schief, eine Pose, die ich sehr gut kenne, die mich immer verunsichert hat und die mich auch jetzt verunsichern soll. Ich stehe immer noch da, die Fäuste in der Luft, und vielleicht wird er ebenfalls unsicher, er macht zumindest kehrt und geht hinauf zur Hauptstraße, und ich bleibe stehen, bis ich ganz sicher bin, dass er gegangen ist, und erst dann traue ich mich, rasch zu den Reihenhäusern zurückzukehren. Nach nur wenigen Schritten höre ich das vertraute Lachen, es läuft mir eiskalt über den Rücken, und ich kann mich nicht länger beherrschen und fange an zu rennen.

3
    I ch überquere den Trondhjemsveien, gehe an der Kirche von Grorud vorbei und den Berg hinunter. Heute habe ich die U-Bahn genommen, wollte nicht den ganzen Weg laufen, hatte keine Lust. Auf der Fahrt habe ich nicht ein einziges Mal aus dem Fenster geschaut, mein Nacken
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