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Ist Schon in Ordnung

Ist Schon in Ordnung

Titel: Ist Schon in Ordnung
Autoren: authors_sort
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ist steif, und dann ist es doch noch ein weiter Weg. In meiner Brust wächst etwas heran, nimmt mir die Luft, und ich muss immer wieder schlucken, ohne dass es hilft. Ich schaue auf den Friedhof, dort liegt Egil. Es fällt mir schwer vorbeizugehen, ohne kurz stehenzubleiben, doch wenn ich stehenbleibe, weiß ich nicht, was ich davon halten soll, dass er tot ist. Wie immer bleibe ich stehen, leer im Kopf, und eine heiße Welle schwappt von den Beinen nach oben. Ich gehe weiter bergab, und es fühlt sich an, als schaute mir jemand hinterher.
    Ich habe die Pepitahose gegen eine normale Wrangler getauscht. Das war nicht nötig, aber doch eine Erleichterung.
    Ich erreiche den Hügel, das kleine Seitental öffnet sich quer zum Østre Aker Vei, geradeaus vor mir steht das gelbe Gebäude des Groruder Bahnhofs und links hinter dem Hügel, gerade noch erkennbar, die Eisenwarenfabrik Grorud. Auf der anderen Seite der Gleise liegen die sternförmigen Wohnblocks, in denen einige aus meiner Klasse wohnen: May Brit und Henrik und Bente & Bente. Ihre Väter sindLokführer oder jedenfalls irgendwas bei der Eisenbahn, und sie kennen sich alle untereinander. Die Schule liegt im Tal, und links unterhalb des Eisenbahnbergs hängen die Lehrerblocks in einer Reihe, vielmehr die Reihenhäuser, was sie eigentlich sind. Dort wohnen die Lehrer der Schule und ein paar Schriftsteller: Tor Obrestad, Einar Økland und Paal-Helge Haugen. Wie Spatzen auf einer Schnur sitzen sie in ihren Fenstern, den Blick nach oben gerichtet, die Sonne im Gesicht, und brüten ihr Geheimnis aus, und ich beneide sie so sehr, dass meine Beine zu zittern beginnen. Haugens Anne habe ich in meinem Rucksack. Das Buch ist anders als alles, was ich je gelesen habe. Bisher ist Gorki mein Held gewesen, Meine Kindheit , das Buch der Bücher, aber Anne liegt einfach nur da und sieht sich und die Welt durch einen Fieberschleier, und ich kriege sie nicht aus dem Kopf, muss daran denken, wie es war, als ich dreizehn war und mit Gelbfieber in einem Haus lag, das ich mehr hasste als alles andere.
    Ein kalter Wind weht durch das Grorud-Tal. Es bläst ständig vom Meer hinauf nach Gjelleråsen, der Wind fegt über den Trondhjemsveien, pfeift eiskalt am Østre Aker entlang, so dass auch der Abgehärtetste im Winter eine Mütze aufsetzt, damit seine Ohren nicht zu Glas gefrieren. Heute ist erst Oktober, aber mich fröstelt, wie ich da stehe und fast direkt auf den Schulhof starre. Die Fahne ist gehisst, obwohl ich nicht weiß, warum heute geflaggt sein könnte. Ein Windstoß kommt und faltet sie auseinander, und ich muss laut lachen, denn die Fahne ist rot und blau, mit einem großen gelben Stern in der Mitte, eine echte Indianerflagge, ich spüre, wie es mich packt, ein unwiderstehliches Ziehen im Bauch, sie an der Stange zu sehen, und von da, wo ich stehe, ist deutlich zu erkennen, dass die Schnurdurchtrennt ist. Soll die Flagge runter, muss zuerst jemand rauf. Ich renne das letzte Stück bergab.
    Als ich den Schulhof betrete, steht Arvid allein in der Ecke zwischen der Sporthalle und der Böschung vor dem Pfad, den Frau Haugen mit blitzenden roten Haaren entlangzutrippeln pflegt, vorbei an den Bäumen auf dem Weg zur Musikstunde. Arvid lehnt an der Wand, raucht und betrachtet die Fahnenstange, an der die FNL -Flagge flattert. Sie sieht schön aus und zugleich beunruhigend, er lächelt etwas unsicher, finde ich, drückt die Zigarette aus und kommt auf mich zu. Wir sind beide aus unterschiedlichen Gründen spät dran, die meisten sind schon zur ersten Stunde hineingegangen, und es ist kein Lehrer in Sicht. Wir gehen zusammen durch die Flurtür, die Sporttaschen über der Schulter.
    »So so«, sage ich, »das musstest du also noch erledigen?«
    »Yes«, sagt er, »und jetzt gibt’s vermutlich Ärger.«
    »Hast du was anderes erwartet?«
    »Auf keinen Fall.«
    Und wie es Ärger gibt. Wir haben Geschichte bei Wollebæk. Nach einer halben Stunde haben Arvid und Bente ihn in eine lange Diskussion über den Imperialismus und Indiens Entwicklung nach Gandhi verwickelt, da klopft es an der Tür, und herein kommt der Direks. Er liest zwei Namen vor, die beiden stehen auf und gehen mit. Es sind Arvid und Henrik. Als es klingelt, sind sie noch nicht zurück, aber wir sehen sie draußen auf der Treppe vor der Fahnenstange stehen und mit dem Direktor streiten. Er will, dass sie die Stange hinaufklettern und die Flagge herunterholen. Sie weigern sich. Aus allen Türen strömen Schüler und stellen
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