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Ist Schon in Ordnung

Ist Schon in Ordnung

Titel: Ist Schon in Ordnung
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war.«
    Arvid lässt sich ins Gras fallen, streckt die Arme zur Seite und lacht laut, und ich muss ebenfalls lachen, weil das Steife, das eben noch da war, jetzt fort ist, verdunstet mit dem Abdrehen des Pferdes. Ich setze mich auf einen Stein und drehe mir eine Zigarette.
    »Wie geht’s dir? Du hast eine Woche gekriegt, hat deine Mutter gesagt.«
    »Ich weiß nicht. Es ist etwas öde, als Einziger Schulverbot zu haben, aber so habe ich ein bisschen mehr Zeit zum Lesen.« Er wedelt mit dem Buch. »Verdammt starkes Buch. Kennst du es?«
    Es ist Jan Myrdals Bekenntnisse eines unmutigen Europäers , das gerade erschienen ist. Ich kenne Jan Myrdal, Arvid fährt jedes Wochenende mit der U-Bahn zum Ostbahnhof, wo er sich das schwedische Aftonbladet kauft, in dem Myrdal eine Kolumne hat, die wir immer zusammen lesen, aber dieses Buch habe ich noch nicht in die Finger bekommen.
    »Ich kann es dir leihen, wenn ich fertig bin.«
    Ich kann es mir selbst kaufen, ich habe bestimmt mehr Geld als du, denke ich. »Was ist mit Henrik?«
    »Wir haben die Aktion zusammen geplant, aber ich habe die Fahne gehisst, und das habe ich auch gesagt, darum habe nur ich Schulverbot bekommen. Aber hör dir das mal an«, sagt er und liest:
    »›In Ceylon unterhalte ich mich mit einem freundlichen europäischen Teeplantagenbesitzer.
    – Wie viele leben in diesem Distrikt?, frage ich.
    – Wir sind nur vier Familien, sagt er.
    – Das ist nicht sehr viel, sage ich.
    – Und noch fünfundzwanzigtausend Tamilen natürlich, sagt er.‹«
    »Scheiße, zeig mal.« Er gibt mir das Buch, und ich lese die Seite und die nächste, eine reine und klare Sprache über Dinge, die einen beschäftigen, ich merke, dass ich das Buch haben muss, dass das hier etwas anderes ist, etwas Offenes und Gewagtes. Ich gebe ihm das Buch zurück.
    »Komm mit«, sage ich und klettere auf den höchsten Punkt des Felsens, und Arvid kommt mir nach. Von dort können wir über die Felder nach Rødtvet und Kaldbakken schauen und einen kleinen Fetzen des Trondhjemsveien sehen, genau die Stelle, wo der Fußweg hinunter zu den Reihenhäusern von Veitvet führt. Ich zeige dahin.
    »Weißt du, wen ich gestern Morgen dort gesehen habe?«
    »Wie soll ich das wissen.«
    »Meinen Vater.«
    »Deinen Vater? Ist der nicht tot?«
    »Tot? Hab ich das je gesagt?«
    Er denkt nach. »Nein, hast du nicht. Soweit ich mich erinnere, hast du noch nie etwas von ihm erzählt, darum dachte ich, er wäre tot.«
    »Nein. Er ist nicht tot.«
    »Aha«, sagt Arvid und wirkt verwirrt, er steht da und starrt auf den Trondhjemsveien, als könnte er dort fündig werden.
    Jetzt habe ich es gesagt. Das hätte ich besser nicht getan, denn jetzt muss ich noch mehr sagen. Arvid ist mein Kumpel, er steht da und sieht mich an, und ich spüre, wie es in meinem Kopf ganz schwarz wird und um mich herum dunkel, der Wald wird dunkel, es ist spät am Tag, und mankann nicht länger zwischen den Bäumen hindurchsehen. Dort ist alles voller Schatten, ich drehe ihnen den Rücken zu, aber es nützt nichts, es zieht mir eiskalt den Rücken hoch, und ich kann nicht länger stillstehen. Ich klettere den Felsen hinunter, hüpfe von Stein zu Stein, so schnell ich kann, und Arvid kommt hinter mir her.
    »He du, warte doch.«
    Aber ich warte nicht.

4
    E in Mann in schwarzen Kleidern läuft durch den großen Wald. Er läuft Tag und Nacht und trägt einen grauen Rucksack auf dem Rücken. In dem Rucksack hat er eine Pistole. Manchmal klirrt sie, wenn sie gegen andere Dinge schlägt, die sich im Rucksack befinden, aber niemand hört es. Er läuft allein durch den Wald. Sein Gang ist gleichmäßig und sicher und nicht zu schnell, er kommt schon früh genug ans Ziel, er hat alle Zeit der Welt. Er geht zehn Kilometer am Tag, und wenn der Abend kommt, macht er sich an einer Wasserstelle ein Feuer. Die Flammen leuchten ihm ins Gesicht, er ist braungebrannt, und wenn er sich vorbeugt und mehr Holz auf das Feuer wirft, fällt ihm der schwarze Pony in die Stirn. Er legt sich hin und schläft ein paar Stunden, und dann geht er zehn Kilometer in der Nacht. Die blauen Augen glitzern im Dunkeln, eine Eule sitzt auf einem Ast und blinzelt, und er verläuft sich nie, wenn sich die Wege treffen. Er trägt braune Gummistiefel, und mit ihnen durchquert er Bäche und Moore, wenn es sein muss, klettert über Bergrücken. Auf dem letzten Berg bleibt er stehen und sieht sich mit einem schmalen Lächeln um. Von hier oben sieht er ein breites Tal mit Wohnblocks und
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