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Ist Schon in Ordnung

Ist Schon in Ordnung

Titel: Ist Schon in Ordnung
Autoren: authors_sort
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keine Wächter sehen. Das macht nichts, ich habe ohnehin nicht vor, mich hineinzuschleichen.
    Der Waldweg beginnt gleich hinter dem Fußballplatz, den sowohl die Soldaten als auch die Anwohner benutzen, rechts sind die Reste einer Grundmauer zu sehen, einer ehemaligen Häuslerkate aus den Zeiten des Gutshofs Linderud. Die Häuser standen noch, als ich hierhergezogen bin, ich erinnere mich an grauen Rauch aus Schornsteinen, nasse Schneeflocken auf dem Dach und ein Gesicht im Schatten hinter der Scheibe. Sie muss jetzt tot sein. Unterhalb davon liegt die Pferdeweide. Das Gelände ist zunächst ziemlich abschüssig, dann steigt es zum Waldrand hin wieder an. Gleich dahinter auf einer offenen Ebene liegt ein großer Felsen. Er ist zwanzig Meter lang und zehn Meter breit und hat die Form einer Burg, er ist zur Verteidigungbestens geeignet, hat Mulden, in denen man sich bei einer Invasion verstecken kann, und mehrere Geheimgänge nach draußen beim Gedanken an eine mögliche Flucht. Ich habe noch die letzten Kriege miterlebt, bevor ich dafür zu alt war, aber Arvid ist in diesem Felsberg aufgewachsen und kommt gern hierher, wenn er allein sein will. Ich überquere die Weide, auf der nur ein Pferd steht, ein braunes mit weißen Fesseln, was mir überhaupt nicht seltsam vorkommt, und beim Hochklettern sehe ich ihn auf dem höchsten Teil des Felsens sitzen, ein Buch in der Hand und eine Zigarette im Mund. Ich kann sie von weitem deutlich im Mundwinkel erkennen, und er nimmt sie heraus und bläst den Rauch über das Buch, der Rauch bleibt mit klaren Konturen in der Herbstluft hängen, ein merkwürdiger Anblick, wie in einem Film, den ich einmal gesehen habe, und er richtet sich auf und sieht mich kommen.
    Einen Moment lang ist es nicht leicht, derjenige zu sein, der kommt, am liebsten würde ich umkehren. Er steht ganz still und sieht mich an, ich werde gesehen von einem Menschen, der wartet, und ich weiß nicht, worauf. Am liebsten würde ich kehrtmachen. Das ist mir noch nie passiert. Nicht bei Arvid. Er ist mein Kumpel, wir sind seit fünf Jahren befreundet, seit der ersten großen Pause an meinem ersten Schultag im Herbst 1965, und es ist seitdem fast kein Tag vergangen, an dem wir nicht miteinander gesprochen haben, und jetzt sitzt er da und sieht mich kommen, und ich weiß nicht, wen er sieht.
    Aber es hält nur einen Augenblick an, dann wird fast alles wieder so, wie es sein soll, er hebt die Hand mit dem Buch, und ich winke zurück, denke, dass ich selbst immer allein zurechtkommen werde.
    »Hallo«, sage ich.
    »Hallo.« Er kommt vom Felsen herunter.
    »Mann, ist das kalt.«
    »Und ob das kalt ist«, sagt er etwas unsicher, denn es ist nicht länger so kalt, heute Morgen war es kalt, und mir fällt jetzt nichts mehr ein, und das Einzige, was wir hören, ist das braune Pferd, das unten auf der Weide schnaubt. Es ist unruhig, es nickt mit dem Kopf und geht rückwärts. Wir können nicht sehen, wovor es Angst hat, aber es springt auf steifen Beinen herum, und plötzlich dreht es sich um und kommt im Galopp auf uns zu. Es geht ganz schnell, unerwartet und heftig, und jetzt sieht das Pferd ziemlich merkwürdig aus, denn es ist schön, und auch wenn die Welt voller schöner Dinge ist, kommt es einem jedes Mal wieder merkwürdig vor, wenn man sie wirklich sieht. Und was wir sehen, ist ein Tier, dessen Ohren angelegt sind, die braune Haut dampft, die Beine sind nur noch Schatten unter dem Bauch, und das Geräusch der Hufe auf dem Boden rollt auf uns zu, wie ein Zug, der Schienenstöße passiert. Ich spüre, wie Arvid erstarrt, ich packe ihn an der Schulter und erstarre ebenfalls, auch wenn Pferde etwas sind, womit ich aufgewachsen bin, und bevor es uns umrennt, sehe ich alles um mich herum ganz klar, den tiefblauen Herbsthimmel, die gelben Bergrücken, ja, fast jedes einzelne Blatt ganz nah und fernglasscharf in der klaren Luft, ich hole tief Luft und brülle HEHOOO ! Das Pferd ändert auf der Stelle die Richtung und bricht nach rechts aus, es galoppiert noch zwanzig Meter weiter und bleibt stehen, schnaubt mit bebenden Flanken, dann beugt es den Hals und zupft ein paar Grashalme aus dem Boden, als wäre nichts gewesen.
    »Mann«, sagt Arvid fast unhörbar, »das war heftig, glaubst du, es wollte uns über den Haufen rennen?«
    »Was? Nein, so was habe ich noch nie gehört. Ich weißnicht, was es geritten hat, aber ich wusste, dass es stehenbleiben würde.«
    »Aber du hast doch geschrien.«
    »Weil es so verdammt schön
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