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Irrfahrt und Heimkehr des Odysseus

Irrfahrt und Heimkehr des Odysseus

Titel: Irrfahrt und Heimkehr des Odysseus
Autoren: Franz Fuehmann
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die Freier. »Auf jetzt, und den Verhassten niedergestreckt!« Mit diesen Worten schleuderten sie ihre Lanzen nach Odysseus, denn sie dachten, wenn sie ihn, den Erfahrensten und Kampftüchtigsten, erst einmal aus der Welt geschafft hätten, wäre es mit den andern ein müheloses Spiel. Athene aber lenkte ihre todbringenden Waffen ab, so dass sie alle ihr Ziel verfehlten; nur der Lanze des Ktesippos erlaubte sie, den Knöchel Telemachs zu verletzen, damit der Zorn des Jünglings noch heftiger angestachelt werde. Er schleuderte denn auch seine Lanze voll Wut und traf Ktesippos tief in die Brust, dass er hinschlug, und auch die Lanzenwürfe seiner Kampfgefährten rafften die Kühns-ten der Freier hinweg. Der Rest wich zurück an die Wand; die vier aber zogen die Speere aus den Leibern der Hingestreckten, und aufs Neue begann die männerwürgende Schlacht, und nun schüttelte Athene auch den donnernden Schild, dass die Halle dröhnte, und nacktes Grauen zog in die Seelen der Freier ein. Wie aufgeschreckte Schafe irrten sie durcheinanderund suchten einen rettenden Ausweg; Odysseus aber und Telemach und die Hirten wüteten mit dem Schwert und dem Speer unter ihnen wie ein Habichtssturm unter einer Finkenschar und schonten keinen, auch den Opferpriester der Freier, Leiodes, nicht. »Hast du auch keine Frevel verübt, so hast du doch für die Elenden gebetet«, rief Odysseus, »dies ist Frevel genug!« Dem Sänger Phemios aber, der von den Freiern mit Gewalt in den Königspalast geschleppt worden war, um ihnen beim Mahl die Zeit zu verkürzen, und der nun die Knie des Königs flehend umfasste, schenkte Odysseus das Leben, ebenso Medon, dem Herold der Freier, der Telemach einst manches Gute getan.
    So war der Kampf beendet; die Halle war, wohin man auch blickte, mit Blut besudelt, und die Leiber der Gefallenen lagen übereinandergestapelt wie die Fische im Netz, das der Fischer aus dem Meer zieht und in den Küstensand leert. Schweratmend und von Blut triefend standen die vier aneinandergelehnt wie ein Felsblock; die Mägde spähten nach dem Getöse des Kampfes verängstigt und scheu aus ihren Kammern; Penelope aber ruhte in süßestem Schlummer auf ihrem Lager und hatte vom Kampflärm, Gebrüll und Geröchel keinen Hall vernommen: Athene war ihr gnädig gewesen und hatte ihr die Wohltat eines tiefen traumlosen Schlafes geschenkt.
    Odysseus rief nach der Schaffnerin und hieß sie alle Mägde zusammentreiben, die ihrer Herrin die Treue gebrochen und die Fürstin im Unglück geschmäht und verspottet hatten. Es waren ihrer zwölf, die die Schaffnerin nannte, und es waren jene zwölf, deren Stimmen Odysseus die letzte Nacht gehört. Er befahl den getreuen Hirten, die Schamlosen wie die Drosseln an ein Seil gereiht im obersten Söller aufzuknüpfen; den ungetreuen Hirten aber hieb er mit eigener Hand in Stücke und warf dessen Scham den Hunden vor. Dann gebot er den Knechten, die Toten aus der Halle zu tragen und sie zum Verbrennen im Hof übereinanderzuschichten; die Mägde aber hielt er an, Wän de und Tische und Sessel und alles Gerät gründlich mit Schwämmen zu reinigen, und die getreuen Hirten entfernten mit Schaufeln den blutigen Estrich und schütteten reinen Sand auf den Boden der Halle. Schließlich nahm Odysseus ein Kohlebecken und beizenden Schwefel und räucherte mit eigener Hand Halle und Hof aus, und alsauch dies Werk der Reinigung getan war, befahl er der alten Amme, sein Weib Penelope zu ihm zu führen. Die Amme eilte; Odysseus aber setzte sich in einen Sessel gegenüber der Treppe und wartete und war noch immer in seine alten Lumpen gehüllt.
Penelope und Odysseus
    Die Amme eilte in Penelopes Gemach; sie nahm, die Alte, die Stufen beinah mit stürmenden Schritten, und ihre Beine bewegten sich fast so hurtig wie in ihren Mädchenjahren. »Wach auf, Penelope, geliebte Tochter!«, so sprach sie. »Sieh selber mit Augen, was ich dir berichte: Odysseus, der herrliche Held, ist heimgekehrt und hat die Freier all im Palast erschlagen; freue dich,Töchterlein, die Zeit der Schande und Not ist endlich vorbei!«
    Penelope aber rieb sich die Augen aus und erwiderte un willig: »Mutter, dich haben die Götter mit Torheit geschlagen, dass du meiner so spottest und meinen Kummer verhöhnst! Was reißest du mich aus dem köstlichen Schlummer, der mein Leid so lieblich getröstet hat! Nie noch, seit Odysseus gen Troja zog, habe ich so fest geschlafen, und du hast mich mit kränkenden Lügen geweckt! Jede andere, die solchen
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