Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Irrfahrt und Heimkehr des Odysseus

Irrfahrt und Heimkehr des Odysseus

Titel: Irrfahrt und Heimkehr des Odysseus
Autoren: Franz Fuehmann
Vom Netzwerk:
Wisset, ich bin Odysseus, Herr über die Inseln von Ithaka!«
    Als die Freier das hörten, wurden ihre Gesichter bleich vor Entsetzen. Sie spähten nach einem Ausweg und sahen alle Türen verschlossen, und da fühlten sie das Verderben nah. Eurymachos erhob sich darum und begann zu verhandeln; er sagte, eine Strafe sei nur gerecht, aber Odysseus habe sie ja schon vollzogen, als er Antinoos niederstreckte, denn dieser Mann sei eigentlich der Anstifter allen Übels und so der Schuldige an aller Verheerung gewesen; ihn habe nun die rächende Hand ereilt, die Übrigen aber möge des Königs Groll verschonen! Sie wollten ihm ja auch getreulich ersetzen, was sie in den vier Jahren durchgebracht hatten, und ihm überdies jeder zwanzig feiste Rinder und Erz und Gold zur Versöhnung schenken, um ihm damit volles Genüge zu tun. So sprach Eurymachos und sah, da er dies sprach, sich und die andern Freier schon an der Spitze eines Heeres den Königspalast stürmen; Odysseus aber fiel ihm in die Rede undsprach: »Und wenn ihr mir euer ganzes Vermögen übereignetet, Eurymachos, es könnte meinen heiligen Zorn doch nicht stillen! Mein Arm wird nicht rasten, bevor ihr euren Frevel nicht mit dem Leben gesühnt habt! Stellt euch zum Kampf oder versucht zu fliehen, ihr werdet mir so und so nicht entrinnen!«
    Da riss Eurymachos sein Schwert aus der Scheide und rief: »Zum Kampf denn, Freunde, von diesem schrecklichen Mann ist Milde nicht zu erwarten! Drum zieht eure Schwerter, nehmt die Schemel als Schilde; einmal hat er seinen letzten Pfeil verschossen, dann wollen wir ihn vom Tor vertreiben und alle unsere Freunde in der Stadt zum Aufstand rufen! Vorwärts zum Kampf!«
    Er rief’s und lief brüllend und mit gezücktem Schwert wider den Helden, da traf ihn schon der Pfeil des Odysseus in die Leber, und Eurymachos taumelte gegen den Tisch und brach zu sammen und mischte Speisen und Wein mit seinem Blut. Nun stürzte sich der edle Amphinomos auf Odysseus, aber Telemach rannte ihm die Lanze durch die Schulter, so dass er mit der Stirn auf den Boden schlug. Es war Telemach nicht mehr möglich, den Speer aus der Wunde zu ziehen, denn die Freier bedrängten ihn hart mit ihren Schwertern; er schlug sich darum zu Odysseus durch und rief ihm zu, er werde in die Rüstkammer nach Harnischen und Helmen eilen und auch die treuen Hirten bewaffnen. Odysseus nickte; er stand unterm Tor und sandte Pfeil um Pfeil in die Scharen der Freier, die sich nun hinter Tischen und Bänken zu verschanzen suchten; Telemach aber eilte in die Rüstkammer, raffte vier Harnische, vier Helme und acht Lanzen zusammen, wappnete sich und die getreuen Hirten, und nun standen sie zu viert auf der Schwelle des Tores.
    Odysseus hatte indes seine Pfeile verschossen; mit jedem Schuss hatte er einen der Freier in den Hades gesandt, und nun setzte er den Helm auf, warf sich den Harnisch über die Schulter und ergriff eine Lanze. Die kurze Kampfpause, da die vier sich wappneten, benutzte der trügerische Ziegenhirt, um über eine Treppe neben der Tür, die dem Schutz des Schweinehirten anvertraut war, hinauf zum Söller zu eilen, und da Telemach in seiner Hast die Rüstkammer nicht verschlossen hatte, brachte Melantheuszwölf Helme, zwölf Schilde und zwölf Lanzen herunter und stieg dann abermals hinauf. Dies bemerkten die treuen Hirten; sie stürzten ihm nach, überwältigten ihn und hingen ihn dann, wie ein Bündel verschnürt, an die Decke, dass er dem Gericht des Odysseus bewahrt bleibe, dann kehrten sie in den Kampf zurück.
    Odysseus war indes, da die zwölf Stärksten der Freier nun mit den Lanzen heranrückten, in arger Bedrängnis und sah sich schon verloren, da stand plötzlich Athene in Mentors Gestalt neben ihm unterm Tor. »Misch dich nicht ein, Mentor, das ist unsere Sache, es wird dir sonst übel ergehen!«, riefen die Freier; Athene aber sprach dem Wankenden Mut zu und erinnerte ihn an seine früheren Heldentaten. Dann schwang sie sich, in eine Schwalbe verwandelt, zur Esse empor. Sie hätte, wenn sie dazu willens gewesen wäre, die Freier durch ein Blitzen ihrer Augen töten oder ihnen durch das Schütteln des Aigisschildes, mit dem die Unsterblichen den Donner durch die Lüfte senden, den Sinn verwirren können; allein sie wollte, dass sich ihre Schützlinge selbst bewährten und ihrer eigenen Kraft vertrauten. So also entschwand sie ihnen und barg sich als Vöglein in den rußgeschwärzten Dec ken balken.
    »Seht, Freunde, Mentor hat ihn verlassen!«, riefen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher