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Irrfahrt und Heimkehr des Odysseus

Irrfahrt und Heimkehr des Odysseus

Titel: Irrfahrt und Heimkehr des Odysseus
Autoren: Franz Fuehmann
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auch das Zeichen vernommen, Fremdling?«, fragte die Magd. »Es ist eine sternklare Nacht, und dennoch machte ein Donnerschlag die Erde erzittern!«
    Odysseus nickte.
    »Möge Zeus mich hören und mir eine Bitte gewähren«, sprach die Magd und ließ den Mühlschwengel fahren, »mögen die schändlichen Freier, die mich schon vier Jahre lang zu härtestem Mannswerk an der Kornmühle zwingen, weil ich ihren lüsternen Anträgen widerstanden habe, heute ihr letztes Gelage feiern!«
    »Zeus wird deine Bitte erhören«, sprach Odysseus ernst.
    Die Mitte der Nacht war schon überschritten, und es versammelten sich die Mägde, denen es oblag, den Saal zu säubern und das Geschirr zu reinigen. Sie fegten den Boden und klopften die Teppiche und Sitzfelle, wuschen mit Schwämmen die Tische und spülten Pokale und Krüge mit klarem Quellwasser aus. Indes waren auch die Oberhirten in den Hof getretenund trieben zur Schlachtbank, was die Freier verlangt hatten: Eumaios drei fette Eber, die besten der Herde, der Ziegenhirt Melantheus sieben der trefflichsten Ziegen und der Rinderhirt Philoitios eine Mastkuh und zehn zarte Lämmer mit flaumweichem Fell. Als Melantheus den Bettler erblickte, begann er ihn wieder zu schmähen, allein der Rinderhirt verwies ihm die freche Rede und begrüßte den Gast und klagte um den verschollenen Herrn, an dem, so bekannte er trauernd, noch immer sein Herz hing. Also schieden sich von selbst die Getreuen und die Ungetreuen unter den Mägden und Knechten, und Odysseus grub die Namen der Guten wie der Schlechten fest in sein Gedächtnis ein.

Die Freier beim Frühmahl
    Auch die Freier hatten sich noch vor dem Morgengrauen versammelt; sie waren, trotz Amphinomos’ Warnung, übereingekommen, Telemach im Schlaf zu überfallen und niederzumachen, damit er nicht im letzten Augenblick die Hochzeit vereitle, doch als sie sich dem Palast genaht hatten, war ein Adler schreiend zu ihrer Linken niedergestoßen, und das galt als das größte Unheilszeichen, das die Götter senden konnten. So ließen sie denn von ihrem Plan, umso mehr, als sie Telemach schon wach erblickten: Er ging mit einer Lanze in der Hand über den Hof, um zu prüfen, ob dem schlafenden Vater keine Gefahr drohe. So rückten die Freier denn früh zum Mahl an. Odysseus aber lag schon auf der Schwelle.
    Die Freier wollten wieder wie gestern ihr Spiel mit ihm treiben, und einer von ihnen, ein tölpelhafter Lümmel namens Ktesippos, schleuderte einen Kuhfuß nach dem Greis; Telemach aber verwies ihnen solche Schändlichkeiten mit derartig heftigen Zornesworten, dass die Vorwitzigen verstummten und von dem Alten ließen. Athene aber fuhr vom Himmel herab und verwirrte ihre Gemüter; sie schrien irre Worte und schnatterten mit den Kiefern und zuckten in den Gelenken; ein Krampf verzerrte ihre Gesichter zu wüsten Grimassen, und ihre Glieder schlenkerten und zappelten wie die von Besessenen. Sie lallten und lachten wie toll und schlangen rohes Fleisch hinunter und fraßen’s, wie die Löwen ihre Beute fressen; ihre Mäuler und Hände waren blutbesudelt, und sie würgten die rohen Brocken, ohne zu kauen, in sich hinein, und ihre Augen glotzten blöd. Ein Einziger unter ihnen, der sich in all den vier Jahren keines einzigen Frevels schuldig gemacht hatte, ein göttergleicher Mann namens Theoklymenos, erkannte ihre Verblendung und rief ihnen zu, dass ihr Geist schon umnachtet sei. »Unglückliche«, so rief er, »düstre Wolken umhüllen eure Häupter, aus euren Mäulern quillt Blut und Lüge, und wehe, Blut tropft von den Wänden, Blut schießt aus dem Boden, die Sonne verfinstert sich, Dunkel und Grabdunst bricht ein, und ein Zug von Schatten zieht heulend hinab zum Hades – Freunde, besinnt euch, ihr steht vor dem Untergang!«
    Also sprach der Seher; die Freier aber lachten laut und höhnten ihn, und schließlich floh er aus dem Palast, und ihn ließ Athene entkommen. Odysseus aber stand hochaufgerichtet auf der Schwelle, und die Freier lachten und lärmten und zechten so übermütig wie nie und schrien zum Gemach hinüber, in dem Penelope reglos saß und verzweifelt ihr Hirn zergrübelte, wie sie sich in letzter Stunde noch retten könne, und Odysseus stand auf der Schwelle und maß jeden Freier mit richtendem Blick und dachte: Das ist euer Todesschmaus!
Die Freier versuchen den Bogen
    Als Penelope keinen Ausweg fand und ihr das Geschrei der Zechenden unerträglich geworden war, erhob sie sich, den Bogen des Odysseus aus der Waffenkammer zu
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