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Inspector Alan Banks 13 Ein seltener Fall

Titel: Inspector Alan Banks 13 Ein seltener Fall
Autoren: Peter Robinson
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schüttelte den Kopf. »Aber ich bin nicht so dumm zu glauben, dass man einem Mann sein Schuldgefühl ausreden kann. Glaubst du an Schicksal?«
      »Weiß nicht.«
      »Wir Griechen glauben sehr stark ans Schicksal, an die Vorsehung.«
      »Was macht das für einen Unterschied?«
      »Es entlastet dich. Verstehst du nicht? Wie die katholische Kirche, die dich von deinen Sünden losspricht. Wenn es Schicksal ist, dann stand von vornherein fest, dass du überlebst und niemandem etwas davon erzählst und dass dein Freund entführt, getötet und viele Jahre später gefunden wird.«
      »Dann glaube ich eher nicht ans Schicksal.«
      »Na, den Versuch war es wert«, sagte Alex. »Was hast du nun vor?«
      »Weiß nicht. Ich kann nicht viel tun, oder? Die zuständige Polizei wird ermitteln, entweder bekommt sie heraus, was passiert ist, oder nicht. Ich nehme an, dass nach so langer Zeit nicht mehr viel zu finden ist.«
      Alex schwieg eine Weile, spielte mit seinem Ouzoglas, trank einen langen Schluck und seufzte.
      »Was ist?«, fragte Banks.
      »Ich glaub, ich werde dich vermissen, mein Freund.«
      »Wieso? Ich gehe doch gar nicht weg.«
      »Weißt du, dass die Deutschen diese Insel während des Krieges besetzt hatten?«
      »Klar«, sagte Banks, verwundert über Alex' plötzlichen Themenwechsel. »Ich hab mir die alten Festungsanlagen angesehen. Das weißt du doch. Wir haben darüber gesprochen. Sind nicht ganz so groß wie in Die Kanonen von Navarone, aber schon ganz beeindruckend.«
      Alex winkte ab. »Wir beide haben nur eine vage Vorstellung, wie das Leben unter der Besatzung der Nazis war, aber mein Vater hat es selbst erlebt. Er hat mir mal eine Geschichte aus seiner Kindheit erzählt, da war er nicht viel älter als du und dein Freund damals. Der deutsche Offizier, der die Insel kommandierte, hieß von Braun, und alle nahmen an, dass er ein Stümper oder Spinner war, sonst hätte man ihn nicht an so einen Ort geschickt. Wie du schon sagst, mein Freund, es war nicht ganz wie in Die Kanonen von Navarone, unsere Insel ist ja nicht unbedingt der strategisch wichtigste Posten im Mittelmeer. Nichtsdestoweniger musste jemand den Pöbel im Auge behalten, und das war halt von Braun. Keine besonders anspruchsvolle Aufgabe. Die hier stationierten Soldaten sind bestimmt schnell nachlässig geworden. Eines Tages klaute mein Vater mit drei Freunden einen deutschen Geländewagen. Die Straßen waren schlecht, sind sie ja heute noch, die Jungen hatten natürlich keine Ahnung und konnten gar nicht fahren. Sie waren keinen Kilometer weit gekommen, da prallten sie gegen einen Felsen. Zum Glück wurde keiner verletzt. Die vier liefen davon, aber offenbar hatte sie ein Soldat beobachtet. Er erzählte von Braun, es wären vier Jungen gewesen.« Alex hielt inne und zündete sich eine türkische Zigarette an. Banks hatte ihn einmal gefragt, ob es denn politisch korrekt sei, als Grieche türkischen Tabak zu rauchen, aber Alex hatte lapidar geantwortet, er schmecke ihm halt besser.
      »Nun«, Alex stieß eine Rauchwolke aus, »aus irgendeinem Grund beschloss von Braun, sich zu rächen und ein Exempel zu statuieren, wie es die Nazis in vielen besetzten Dörfern taten. Wahrscheinlich wollte er beweisen, dass er doch kein unfähiger Spinner war, den man ans Ende der Welt versetzt hatte, wo er keinen Schaden anrichten konnte. Er ließ vier Jugendliche zusammentreiben - der Soldat hatte ja vier gezählt - und da drüben erschießen.« Alex zeigte auf den Punkt, wo die Hauptstraße auf die Mole stieß. »Zwei davon waren tatsächlich dabei gewesen, die anderen beiden waren unschuldig. Mein Vater kam mit dem Leben davon.«
      Die deutschen Touristen lachten über eine Bemerkung einer Frau und bestellten eine neue Runde. Banks' Meinung nach waren sie schon betrunken genug; es gab nicht viel Schlimmeres als einen betrunkenen Deutschen, höchstens einen betrunkenen englischen Fußballfan.
      Alex ignorierte die Touristen und fuhr fort: »Mein Vater fühlte sich schuldig, weil er sich nicht gemeldet hatte, sein Freund ebenso, aber was hätten sie tun sollen? Wahrscheinlich hätten die Nazis sie auch noch erschossen. So was nennen die Amerikaner eine >no-win<-Situation. Sein Leben lang hat er die Schmach und die Schuld mit sich herumgetragen.«
      »Lebt er noch?«
      »Er ist schon lange tot. Aber was ich erzählen wollte: Von Braun war einer der kleineren Kriegsverbrecher, die nach dem Krieg verurteilt
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