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Inspector Alan Banks 13 Ein seltener Fall

Titel: Inspector Alan Banks 13 Ein seltener Fall
Autoren: Peter Robinson
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sein.«
      Gristhorpe nickte. »Gut.«
      Annie steuerte auf die Tür zu.
      »Nette Stiefel«, bemerkte Gristhorpe hinter ihr.
     
    Banks schloss die Augen und lehnte sich in seinem Flugzeugsitz zurück. An die Zeit, als Graham Marshall verschwand, konnte er sich deutlicher erinnern als an vieles andere. Obwohl das Gedächtnis die Vergangenheit gerne durch die rosarote Brille sah. Es verschmolz Erlebnisse, verdichtete und transponierte sie. Sie erfuhren eine Metamorphose, wie Alex am vergangenen Abend gesagt hatte.
      Wochen, Monate, Jahre zogen an Banks' innerem Auge vorbei, allerdings nicht in chronologischer Reihenfolge. Gefühle und Begebenheiten ließen sich relativ leicht erinnern, aber wie bei der Polizeiarbeit musste man manchmal auf Tatsachen zurückgreifen, um die wahre Abfolge zu rekonstruieren. So wusste Banks beispielsweise nicht mehr, ob er 1963 oder 1965 beim Ladendiebstahl im Woolworth ertappt worden war, aber absolut präsent war ihm das Gefühl von Angst und Hilflosigkeit in dem engen dreieckigen Raum unter der Rolltreppe, der widerliche Geruch von Old Spiee und die Art und Weise, wie die beiden Kaufhausdetektive in ihren dunklen Anzügen ihn lachend herumgeschubst und aufgefordert hatten, seine Taschen zu leeren. Nach längerem Nachdenken fiel Banks nun wieder ein, dass es der Tag gewesen war, an dem er die brandneue LP With the Beatles gekauft hatte, und die war Ende November 1963 erschienen.
      So ging das oft. Man entsann sich einer Kleinigkeit - ein Geruch, eine Melodie, das Wetter, ein Gesprächsfetzen -, dann ließ man sie sich durch den Kopf gehen, betrachtete sie aus allen Blickwinkeln, und ehe man sich versah, stellte sich die nächste Erinnerung ein, die man längst vergessen glaubte. Und so ging es weiter. Es funktionierte nicht immer, aber hin und wieder erschuf Banks auf diese Weise einen Film über seine Vergangenheit, in dem er entdeckte, welche Kleidung er getragen hatte, wusste, was er gefühlt hatte, was die Leute gesagt hatten, wie warm oder kalt es gewesen war. Manchmal erschreckte ihn die Wirklichkeitsnähe seiner Erinnerungen, und er sah zu, dass er sie wieder loswurde.
      Graham Marshall verschwand an einem Sonntagmorgen, etwas mehr als eine Woche, nachdem er mit der Familie Banks aus dem Urlaub in Blackpool zurückgekehrt war. Er war vom Zeitungsaustragen nicht zurückgekommen, ein Job, den er seit rund sechs Monaten für Donald Bradfords Zeitungsladen machte und den ungefähr ein Jahr zuvor Banks erledigt hatte, als der Laden noch Mr. Thackeray gehörte. Natürlich wusste anfänglich niemand, was passiert war, nur Mr. und Mrs. Marshall und die Polizei.
      Banks lehnte sich mit geschlossenen Augen zurück und versuchte, sich jenen Sonntag in Erinnerung zu rufen. Am Wochenende blieb Banks gern im Bett, bis ihn seine Mutter zum Sonntagsbraten herunterrief. Beim Essen lauschten sie den Radiokomödien im BBC-Unterhaltungsprogramm, The Navy Lark oder Round the Home. The Billy Cotton Band Show trieb Banks dann aus dem Haus, und er traf sich mit seinen Freunden aus der Siedlung.
      Manchmal gingen die fünf Jungen - Banks, Graham, Steve Hill, Paul Major und Dave Grenfell - in den Stadtpark, nahmen einen Streifen Rasen neben den Spielfeldern in Beschlag, hörten Alan Freemans Pick of the Pops auf Pauls Transistorradio und sahen den Mädchen nach. Steve wurde gelegentlich mutig und bot ihnen Woodbines an, weil ihm nichts Besseres einfiel, aber meistens beschränkten sich die Jungen aufs Anschmachten aus der Ferne.
      Hin und wieder trafen sie sich sonntags bei Paul und hörten Platten. Das hatten sie auch an dem Tag getan, als Graham verschwand. Bei Paul war es am besten, weil er einen neuen Dansette hatte, den er bei gutem Wetter draußen auf die Haustreppe stellte. Sie drehten die Musik nicht zu laut auf, damit sich niemand beschwerte. Wenn Pauls Eltern nicht da waren, rauchten sie heimlich Zigaretten. Außer Graham waren an dem Sonntag alle da. Niemand wusste, warum er fehlte, es konnte höchstens sein, dass Graham aus irgendeinem Grund Hausarrest bekommen hatte. Grahams Eltern waren streng, besonders sein Vater.
      Da saßen sie mit ihren knallengen Röhrenhosen, schmalen Hemden und spitzen Schuhen auf der Treppe, das Haar so lang wie irgend möglich, bis damit wieder Schluss war und die Eltern sie zu Mad Freddy schickten, dem Frisör. Er konnte nicht sagen, was sie an dem Tag gehört hatten, aber die damaligen Highlights waren Steves jungfräuliche
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