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Inselzirkus

Titel: Inselzirkus
Autoren: Gisa Pauly
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spürte er auch gleich wieder diese besorgniserregende Linie, die den Magen direkt mit dem Gaumenzäpfchen verband.
    Erik versuchte sich abzulenken, während sie auf List zufuhren. Schrecklich, dieser riesige Hotelneubau am Ortsrand! Die geduckte Ladenzeile auf der linken Straßenseite passte nicht zu dieser protzenden Eleganz. Kurz vor einer Rechtskurve sah er auf der linken Seite das Geschäft, das er schon lange aufsuchen wollte. Dort gab es schöne hölzerne Gartenmöbel und in der Skulpturengalerie mannshohe Figuren aus glasfaserverstärktem Kunststoff, die er sich immer schon mal näher ansehen wollte. Als sie auf der Rückseite der Alten Tonnenhalle in den kleinen Kreisverkehr einbogen und den Parkplatz ansteuerten, der zwischen der »nördlichsten Fischbude Deutschlands« und dem »Erlebniszentrum Naturgewalten« angelegt worden war, fühlte er sich tatsächlich besser. Sein körperliches Unwohlsein war in den Hintergrund getreten.
    Der Streifenwagen fuhr bis zum Eingang des Platzes, auf dem einmal eine Fischbude gestanden hatte, aus der mittlerweile ein kulinarischer Welterfolg geworden war. Bei schönem Wetter war dort immer viel los, aber auch jetzt, kurz vor Ostern, waren viele Touristen aus allen Teilen der Insel gekommen, um dort zu essen, zu bummeln, zu shoppen oder in der Sonne zu sitzen. Das Angebot von Jürgen Gosch beschränkte sich längst nicht mehr auf eine Fischbude, sondern erstreckte sich mittlerweile über die Alte Bootshalle, das Restaurant Knurrhahn, das Hafendeck und den kleinen Fischmarkt in der Tonnenhalle. Eine lebendige Piazza war entstanden, auf der sich Mamma Carlotta wie zu Hause fühlen würde. Erik nahm sich vor, bei nächster Gelegenheit mit seiner Schwiegermutter nach List zu fahren. Dort würde es ihr gefallen!
    Zwei Männer vom Sicherheitsdienst erwarteten sie an der Schranke, die dafür sorgte, dass kein Auto unbefugt den Platz befuhr, und winkten sie durch. Ein weiterer Mann vom Sicherheitsdienst kam angelaufen und lotste sie vorsichtig weiter, während ein anderer die Neugierigen zurückdrängte, die sich überall versammelten, wo die Polizei auftauchte.
    Die Bänke vor der Alten Bootshalle waren dicht besetzt mit Touristen, die ihre Mittagsmahlzeit genossen. Wer dort einen Platz gefunden hatte, durfte sich glücklich schätzen. Er war der Sensation nahe, ohne dass er sich Gaffer nennen lassen musste. Alle anderen drängten sich dort zusammen, wo die Ausflugsdampfer an- und ablegten.
    Die Frage, wo die Leiche gefunden worden war, erübrigte sich damit. Der Fahrer des Streifenwagens hielt auf die dicht gedrängte Menschenmenge zu. Erik beugte sich vor und bat die beiden Streifenbeamten auf den Vordersitzen: »Können Sie bitte die Stelle möglichst schnell und weiträumig absperren? Dr. Hillmot möchte die Leute nicht auf den Zehen stehen haben, während er die Leiche in Augenschein nimmt.«
    Â»In Ordnung!«, kam es von vorn zurück. »Aber ich glaube, die liegt unten, wo die Schiffe anlegen. Da lassen sich die Leute leichter auf Abstand halten.«
    Erik warf Sören einen Blick zu. »Reißen Sie sich zusammen«, sagte er strenger, als er eigentlich wollte.
    Immerhin erreichte er, dass Sören seinen Oberkörper straffte, tief durchatmete und eine Miene zog, wie der Durchschnittsbürger sie von einem Kriminalbeamten erwarten mochte.
    Dann sah er zu dem zweiten Streifenwagen, der sich dicht hinter ihnen hielt. »Nur gut«, raunte er Sören zu, »dass die Spurensuche sowieso nicht ergiebig ausfallen dürfte. Hier laufen ja täglich Tausende herum.«
    Â»Wenn der Fundort überhaupt der Tatort ist«, entgegnete Sören.
    Erik stieg als Erster aus. Sehr behutsam, erst das rechte, dann das linke Bein. Er sah an sich herab, stellte fest, dass die öligen Antipasti Spuren auf seiner Breitcordhose hinterlassen hatten, und zog die Enden seines Schnauzers in die Mundwinkel, als wollte er nicht beim Lächeln erwischt werden. Niemand erwartete von einem Kriminalbeamten im Einsatz ein gepflegtes Äußeres, aber in diesem Fall wäre es ihm tatsächlich lieber gewesen, er trüge keine ausgebeulte Cordhose, keinen bequemen Pullunder und nicht ausgerechnet das uralte blau-weiß karierte Hemd mit dem durchgescheuerten Kragen.
    Tief wollte er die kalte, klare Luft einatmen, scheiterte aber schnell an den Gerüchen, die die Firma Gosch der
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