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Inselzirkus

Titel: Inselzirkus
Autoren: Gisa Pauly
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Kante seiner Unterhose freiließen, deren Schrittnaht zwischen den Knien baumelte und die so lang waren, dass sie wie eine Ziehharmonika auf seine Schuhe fielen. Die wiederum sahen aus, als wären sie drei Nummern zu groß, weil Felix sie nicht schnürte, damit sie möglichst breit wirkten und ihn zu dem schlurfenden Gang zwangen, der in seinen Augen so cool war. Mit anderer Kleidung hätte Felix also gar nicht dienen können.
    Â»Nur auf das Käppi wirst du verzichten müssen«, sagte die Casting-Chefin in diesem Augenblick. »Was du da auf dem Kopf hast, ist total out.«
    Felix starrte sie an, als hätte sie ihm vorgeschlagen, im Tutu über die Kurpromenade von Westerland zu tanzen. Felix ohne Käppi war genauso undenkbar wie Felix im schwarzen Anzug! Es gab kaum eine Mahlzeit, die nicht mit der Debatte begann, ob ein Käppi bei Tisch erlaubt war oder nicht.
    Nach Mamma Carlottas Meinung war es nicht erlaubt, aber ihre diesbezüglichen Erziehungsmaßnahmen hatten bis jetzt nichts gefruchtet. Deswegen rechnete sie fest damit, dass Felix abwinken und auf seine Komparsenrolle verzichten würde. Doch zu ihrem Erstaunen zog er lächelnd das Käppi vom Kopf und zeigte der Casting-Chefin seine dunklen Locken.
    Â»Du bist ja ein schnuckeliges Kerlchen«, sagte sie lächelnd, was Felix sich gefallen ließ, ohne zu rebellieren. »So schöne Haare und dann so ein hässliches Käppi!« Sie schüttelte missbilligend den Kopf, und Felix steckte sein Käppi, das er sonst nicht einmal zum Waschen aus der Hand gab, in die Hosentasche.
    Während Mamma Carlotta mit ihren Enkeln zu der Halle hinüberging, sonnte sie sich in dem schönen Gefühl, den Kindern zu etwas verholfen zu haben, was ihnen sehr wichtig war. Dass sie auch für sich selbst etwas erreicht hatte, konnte ihr niemand vorwerfen. Sie war ja geradezu gedrängt worden, sich als Komparsin zur Verfügung zu stellen. So würden es hoffentlich die Kinder darstellen, wenn Erik sich erkundigte, warum seine Schwiegermutter demnächst im Fernsehen zu bewundern sein würde.

    Zwei Streifenwagen fuhren Richtung List. Im ersten saß Erik mit Sören Kretschmer und dem Gerichtsmediziner, im zweiten folgten die Mitarbeiter der Kriminaltechnischen Untersuchungsstelle, deren Bestand allerdings deutlich reduziert war. Einer der Spurensicherer hatte sich stöhnend an die Sansevieria geklammert, als er von der Wasserleiche gehört hatte, ein zweiter war grün im Gesicht geworden, im Toilettenraum verschwunden und nicht wiederaufgetaucht, und ein dritter musste von seiner Frau in die Nordsee-Klinik gefahren werden. Er war auf den drei Stufen gestolpert, die aus dem Polizeirevier hinausführten, und dabei so unglücklich gestürzt, dass Dr. Hillmot zu Wiederbelebungsversuchen herbeigeholt werden musste. Die waren dann zum Glück doch nicht nötig, aber als der arme Kerl endlich wieder auf den Beinen stand, sah er aus, als hätte er eine schwere Schlägerei hinter sich.
    Erik starrte aus dem Autofenster in die Dünenlandschaft, die im Norden der Insel immer mächtiger wurde, immer weltentrückter und unverbildeter. Auf der Straße, die wie ein langes schwarzes Band die Dünenlandschaft durchschnitt, war nicht viel los. Der Streifenwagen konnte schnell fahren, kam ohne viel Bremsen und Gasgeben aus, sodass sich Eriks Magen allmählich beruhigte. Und während er konsequent in die Landschaft blickte, die für ihn immer noch etwas Erlösendes hatte, wurde auch sein Kopf wieder klarer. Der Fahrer des Streifenwagens war zum Glück damit einverstanden gewesen, das Fenster während der Fahrt leicht geöffnet zu lassen, weil kalte, klare Luft bekanntlich zur Ausnüchterung beitrug.
    Ob das bei Sören etwas fruchtete, vermochte Erik allerdings nicht zu sagen. Sein Assistent saß blass und mit geschlossenen Augen neben ihm. Dabei stöhnte er leise, aber so häufig, dass sich Erik bang fragte, ob das Kommissariat Westerland an diesem Tag einen schweren Imageverlust erleiden würde. Er musste unbedingt dafür sorgen, dass der Tatort besonders weiträumig abgesperrt und der Kontakt der Polizeibeamten mit der Bevölkerung auf das Notwendigste beschränkt wurde. Hoffentlich hatte die Leiche nicht schon tagelang im Wasser gelegen. Ein solcher Anblick konnte auch einem Beamten, der bei bester Kondition war, den Magen umdrehen. Und wenn er selbst daran dachte,
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