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Inselwaechter

Inselwaechter

Titel: Inselwaechter
Autoren: Jakob M. Soedher
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Tote.
    Vom Brettermarkt her waren Motorengeräusche zu hören. Die Reifen knatterten laut auf dem Kopfsteinpflaster. Wer da fuhr, hatte es eilig. Polizeistreife und Walter Zengers Bruder kamen kurz nacheinander am Jachthafen an. Die Polizistin folgte dem Stummen, trat ganz nahe an die Frau heran und fühlte, ohne jede Hoffnung zu haben, am Hals nach einem Puls. Die Geräusche passten nicht zu diesem Tagesbeginn. Der Motorenlärm, die schnellen Schritte, das unterdrückte und doch laute Rufen, der knisternde Klang der Funkgeräte, der in den täuschenden Frieden des romantischen Ortes drang wie Gift. Walter Zenger saß an einem Tisch des Jachtclubrestaurants, hielt die Augen geschlossen, verbannte alle Gedanken und fühlte der Wärme nach, die die Sonne auf die Haut zauberte. Er lebte also. Sein Bruder saß neben ihm.
    *
    Der Anruf der Dienststelle hatte Schielin erreicht, als er gerade zur Weide gehen wollte, um nach Ronsard, den Friesen und den zwei Kaltblütern zu sehen, die für zwei Wochen ein Unterkommen hier heroben am Motzacher Weg gefunden hatten.
    Die Mitteilung war knapp gehalten: eine tote Frau am alten Clubhaus im Jachthafen. Mehr war nicht zu sagen, zu erklären, es musste nicht weiter darüber geredet werden. Der Mitteiler hatte seine Aufgabe getan und für Schielin war klar, was zu tun war. Seine Planungen das Wochenende betreffend waren jetzt Makulatur. Nach einem kurzen Frühstück hatte er sich nur halbherzig hadernd mit dem Rad auf den Weg gemacht. So ganz ungelegen war ihm die Angelegenheit an diesem Samstagmorgen nicht gekommen. Sie ersparte ihm die Fahrt nach Ravensburg, mit Marja und Tochter – zum Shoppen. Wenn er sein Herz mit ganzer Ehrlichkeit befragte, so antwortete es, dass ihm die Leiche geradezu gelegen kam. Er war der Erste der Kripo, der am Segelhafen eintraf. Lydia, Wenzel und Kimmel waren bereits verständigt. Die Kollegen vom Streifendienst hatten weiträumig abgesperrt und gingen mit ihm den engen Weg auf der Mole nach vorne.
    Der See spiegelte fröhlich das gleißende Licht der Sonne, die inzwischen stolz und frei über diffusen Dunst- und Nebelfeldern prangte. Dahinter hob sich die Linie der Gipfel unwirklich aus dem monochromen Gemisch aus Grau und Blau. Es war warm und eine angenehme Brise streichelte über das Wasser. Die Segeljachten im Hafen tänzelten unaufgeregt im Takt des Wassers, schwangen freudig her und hin. Nur vereinzelt zog das helle, metallische Klirren der Wanten und Masten durch die Luft. Die frühe Aufregung war einer beklemmenden Stille gewichen. Noch immer lagen Straßen, Wege und Plätze auf der Insel einsam. Ab und an kamen Motorengeräusche vom Brettermarkt und Barfüßerplatz an den Ort. Im Hafen brummte dumpf ein Schiffsdiesel.

    Die südliche Mole leitete hinaus in den See und grenzte das kleinere Becken des Segelhafens zur freien Wasserfläche hin ab. Etwa auf der Hälfte der Strecke befand sich das alte Clubhaus, das von seiner Größe und architektonischen Gestalt her weniger den Eindruck eines Hauses machte, sondern dem Betrachter vielmehr wie eine Pagode oder ein Pavillon erschien. Der annähernd quadratische Grundriss reichte nur ein kurzes Stück seitlich über die Mole hinaus. Ein gleichmäßiges Walmdach saß den Mauern auf, zur Seeseite hin stützten es weiße Holzsäulen, und zwischen Säulenbrüstung und zurückgenommener Mauer führte ein schmaler Durchgang zum hinteren Teil der Mole.
    Schielin ging langsam. Er hielt eine Hand zum Schutz gegen das blendende Sonnenlicht an die Stirn. Der Notarzt war schon vor Ort gewesen. Er hatte nichts verändert, nur die Gewissheit bestätigt, dass in dem menschlichen Körper, der schlaff über der Brüstung hing, kein Leben mehr war.
    Vorsichtig trat Schielin heran. Der rote Schal wurde von Windwirbeln aufgeworfen und schlängelte empor. Schielin ging vorsichtig hinter der Toten vorbei und versuchte von der anderen Seite aus ihr Gesicht zu sehen. So wie sich die Situation darstellte, musste sie an der Brüstung gelehnt haben, als ihr das Messer mit großer Kraft, und getrieben von einem starken Willen, in den Rücken gestochen worden war. Wie die Kollegen schon beschrieben hatten, steckte es noch. Der dunkelgraue Schaft stand hervor und auf dem Stoff des Mantels bildete sich ein schmaler schwarzer Fleck rund um die Einstichstelle. Es war nur wenig Blut nach außen gedrungen.
    Er konnte nirgends eine Handtasche entdecken. Ungewöhnlich für eine Frau. Ihr Mantel war von einem leichten Stoff. Sie konnte
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