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Inselwaechter

Inselwaechter

Titel: Inselwaechter
Autoren: Jakob M. Soedher
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dessen Reißverschluss sie bis zum Bauch hin aufgezogen hatte. Sie übertrug gerade die Tatortfotos vom Kamerachip auf das Notebook. Das dauerte und verschaffte ein wenig Zeit zum Erholen und Nachdenken.
    Wenzel tauchte vor den Holzschuppen der Wasserschutzpolizei auf. Sie richtete sich auf und pfiff laut und anerkennend. Dann sagte sie übertrieben staunend: »Wenzel! Wow! Schick, schick, schick. Hat Kimmel dich vielleicht nicht so richtig über unser so wunderbares Treffen hier im Lindauer Segelhafen informiert, mein Lieber? Es ist nicht so, dass wir gleich mit dem Tanzschiff rausfahren. Nein! Da vorne am Pavillon liegt eine tote Frau herum und wir müssen Spuren sichern, aber das schaut in diesen Klamotten natürlich eine Spur eleganter aus.«
    Wenzel blieb vor ihr stehen, ließ ein flüchtiges Knurren hören und verschaffte sich einen groben Überblick.
    »Wo kommst du her?«, fragte sie, während sie ihren Arbeiten nachging.
    »Konzert«, lautete die einsilbige Antwort. Er ging zur Heckklappe des weinroten Passat Kombi und kramte einen Overall aus dem Blechkoffer.
    Lydia ätzte weiter. »Konzert? War Heino in der Inselhalle, oder ist Florian Silbereisen mit seiner Jodelentourage hier durchgekommen?« Sie hielt theatralisch inne. »Nein, jetzt weiß ich’s! Die Flippers, nicht wahr. Drüben auf der Seebühne in Bregenz? Ist da was an mir vorübergegangen?«
    Wenzels dunkler Anzug verschwand unter dem hellen, knisternden Kunststoff. Er sah auf der Checkliste nach und wusste anhand Lydias Aufzeichnungen, was noch nicht erledigt war. Mit dem Spurenkoffer in der Hand schlurfte er müde Richtung Mole davon. Seine Blicke suchten Schielin.
    Lydia klappte das Notebook schnell und laut zu und folgte ihm. »Am Ende warst du in einem klassischen Konzert«, rief sie ihm nach, ein paar Meter hinter ihm und schnell aufholend.
    Er schwieg.
    Sie überholte ihn und stellte sich vor ihn, um ihn am Weitergehen zu hindern. Theatralisch hob sie die freie Hand in die Luft und sagte: »Ohh, oh, oh – ich ahne es. Die BMW-Fahrerin! Komm, gib’s schon zu. Gib’s zu, die Schneidige mit dem BMW Cabrio! Mensch Wenzel! Das geht ja nun schon eine Ewigkeit. Wenn ich so nachdenke, dann sind das sicher schon … na ja … ein paar Wochen, oder gar noch mehr. Bald muss man in Monaten rechnen. Höre ich schon die Hochzeitsglocken läuten, Mhm!?«
    »Bei mir werden keine Glocken läuten«, kam es trocken von Wenzel.
    Lydia lächelte wissend und sprach nachsichtig. »Höre, was ich dir zu sagen habe. Nur drei Mal hast du es zugelassen, dass ich diese Frau zu Gesicht bekommen habe. Nicht oft, wie du zugeben musst. Und das, obwohl du weißt, wie brennend meine Neugier ist. Und trotzdem kann ich dir schon eines sagen: Wenn diese Frau will, dass Glocken läuten, dann werden Glocken läuten. Vergeude also nicht zu viel Energie mit Abwehrmaßnahmen. Das ist ein guter Rat von mir. Aber was anderes – was gab’s denn?«
    »Kalbsmedaillons und Burgunder.«
    »Nein! Ich meine das Konzert.«
    »Rachmaninoff«, erwiderte Wenzel und schob sich an ihr vorbei.
    Lydia Naber folgte ihm und sprach in Silben: »Rach-mani-noff?! Wie romantisch. Am Ende noch Klavierkonzert Nummer drei. Dann werden nicht nur Glocken läuten, sondern du wirst in einem Vierspänner durch Lindau fahren.«
    Wenzel fühlte einen feinen Film kalten Schweißes auf der Stirn, dessen Entstehung weniger mit der gleißenden Sonne, dem Overall und dem Mordfall zu tun hatte, als vielmehr durch den Gedanken an den Vierspänner erzeugt wurde.
    Er blieb einsilbig. »Werde ich nicht«, sagte er in Richtung Berge, »was bist du so garstig, Lydia. Da vorne liegt eine tote Frau.«
    Lydia schnitt eine Grimasse und suchte einen Blick von ihm zu ergattern. Sie äffte ihn nach: »Was bist du so garstig, Lydia, was bist du so garstig. Wo hast du denn das her. Ich habe schlechte Laune und brauche jemanden, an dem ich sie auslassen kann, und du sagst, was bist du so garstig. Was ist denn mit dir los! Diese Rachmaninoffkonzerte tun dir nicht gut. Früher hättest du mich angeblafft, dass ich die Klappe halten und gefälligst den Overall bringen soll. Das wäre ein ordentliches Benehmen gewesen, aber gut.« Sie wies mit dem Kopf zur Südmole. »Da vorne liegt eine tote Frau, ja. Aber bei mir daheim da liegen einige Gartenbeete und andere Arbeiten, auf die ich mich gefreut habe. Meinen Liebsten mitsamt pubertierendem Sohn habe ich für das Wochenende fortgeschafft, nur damit ich Ruhe habe. Ich wollte es
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