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Inselwaechter

Inselwaechter

Titel: Inselwaechter
Autoren: Jakob M. Soedher
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genießen. Zwei Freundinnen wollten kommen – und dann lässt sich die Arme da erstechen. Ich finde das ärgerlich. Du hattest wenigstens ein schönes Konzert.« Sie stöhnte und ließ ihn in Ruhe. »Bei der Frau da wird nur noch einmal ein Glöcklein läuten – das Totenglöcklein. So ist das Leben. Freuen wir uns also noch boshaft zueinander sein zu können.«
    Wenzel nickte und ging weiter.
    »Conrad war schon hier und hat alles in die Wege geleitet«, erklärte Lydia, »wir müssen rundherum abtauchen lassen. Die Tatwaffe, die haben wir aber schon. Ein Messer. Steckt noch. Ich habe den Schaft mit Folie gesichert, dass niemand was verwischen kann. Das Ding müssen die in der Rechtsmedizin rausholen.«
    Sie kamen näher. Schielin lehnte an der Mauer der Mole und sah über das Römerbad hinweg, hinüber zum Hafen, wo Leuchtturm und Löwe sich im Sonnenglanz badeten.
    »Was haben wir genau?«, fragte Wenzel.
    Lydia kramte ihr Notizbuch hervor. »Wie gesagt – eine erstochene Frau. In ihrer Manteltasche haben wir eine Geldbörse gefunden. Sie hatte schön artig ihren Ausweis drinnen, auch ihre EC- und Kreditkarte, was uns viel Arbeit erspart und einen Raubmord unwahrscheinlich macht. Es handelt sich um eine Frau Dr. Agnes Mahler, einundvierzig Jahre alt, ledig, Psychotherapeutin aus München. Sie logiert … oder sagt man nun logierte? … vorne im Hafen, im Hotel Seegarten. Darauf deutet zumindest die Hotelbestätigung für das gestrige Abendessen hin, die ich aus der Manteltasche gezogen habe. Viel mehr wissen wir noch nicht. Conrad meinte, der Notarzt war sich nicht sicher, was den Todeszeitpunkt betrifft, aber lange kann sie noch nicht tot sein. Den Temperaturkurven nach gehe ich davon aus, dass sie erst heute Morgen getötet worden ist – reine Vermutung allerdings.«
    Schielin hörte die beiden, drehte sich ihnen zu und hob zur Begrüßung die Hand. Dann stützte er sich wieder auf der schmalen Mauer auf. Es gab vorerst nichts zu bereden. Wenzel und Lydia taten ihre Arbeit.
    Das Mauerwerk hatte bereits so viel Wärme gespeichert, dass es sich angenehm anfühlte. Schielins Augen folgten dem weichen Wellenspiel. Seine Gedanken suchten darin nach einem Wort, einer Beschreibung, die zu der Szene passte, die ein grausiger Geist nur einige Meter weiter aufgeführt hatte. Was war es, was ihm durch den Kopf gegangen war, als er die Tote hatte liegen sehen? Seine Gedanken wurden von Zengers Bruder unterbrochen, der fragte, ob sie noch gebraucht würden. Conrad Schielin bedankte sich und sagte, dass es sicher noch Fragen geben würde, im Moment jedoch die Anwesenheit der beiden nicht erforderlich sei. Lydia hatte bereits eine DNS-Probe bei Walter Zenger genommen, der sich davon nicht negativ betroffen fühlte. Es war überhaupt ein cooler Typ, dieser Zenger.
    Vorne an der Absperrung tauchte Kimmel auf. Von ihm erfuhr Schielin, dass die Taucher bereits unterwegs waren. Ein Kollege der Streifenbesatzung kam vorbei und fragte, ob das Boot der Wasserschutzpolizei im Moment noch gebraucht würde. Sie hätten einen anderen Einsatz.
    »Was denn für einen anderen Einsatz?«, fragte Kimmel ungehalten und sah hinüber zum Boot, das im grellen Morgenlicht vor der östlichen Hafenmauer schwankte.
    »Ein Boot treibt draußen am See, drüben in der Bregenzer Bucht. Ein Wasserburger Fischer hat es gemeldet.«
    »Wie ist das gemeint – ein Boot treibt draußen am See … Boote sind dazu da, um auf einem Gewässer zu treiben … führungslos vielleicht?«, fragte Kimmel mürrisch.
    Schielin schmunzelte über die Formulierung: führungslos. Das war nun wirklich das Schlimmste, was Kimmel sich vorstellen konnte – führungslos.
    Der Kollege bestätigte, dass es genau so gemeint sei: Ein verlassenes Boot treibe draußen am See.
    »Sag ihnen, sie sollen sich das sehr genau anschauen, diese Sache mit dem treibenden Boot. Vielleicht hat es was mit der Toten zu tun«, meinte Schielin.
    »Das haben die auch schon gesagt«, entgegnete der Kollege. »Dann sag es doch gleich!«, blaffte Kimmel dazwischen und entließ den jungen Burschen damit.
    Sie gingen gemeinsam zur Mole und sahen hinüber in die Bregenzer Bucht. Weit draußen war tatsächlich ein Boot zu erkennen.
    Kimmel sprach leise in lichtdurchfluteten Nebelschwaden, die schmal über dem Wasser lagen: »Erstochene Frau, führungsloses Boot. Bin mal gespannt, was heute noch so alles daherkommt.«
    »Es reicht schon so«, kam es von Schielin, der die Hand an die Stirn hielt und
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