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Inselkoller

Inselkoller

Titel: Inselkoller
Autoren: Reinhard Pelte
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setzten
sich aber lieber auf die Notsitze gegenüber der Toilette, stellten ihre Taschen
unter die Sitzklappen und sahen sich um.
    »Is et nich schön, Evachen. De grüne Wiese
mit de villen Viecher, so weit dat Oje reicht, und dahinta blinkat schon dat Meer.
Nu guck doch ma, wo biste denn mit dene Ojen?«
    »Siehst du den Mann da vorne, ist der nicht
süß?«
    »Wat denn, wat denn, Evachen, du willst dir
doch wo nich vagucken, wa? Der sieht ma ja jemeinjefährlich aus.«
    »Ach was. Hat er nicht liebe Augen? Ganz sanft
sieht er aus. Erinnerst du dich noch an die hübschen Afrikaner in unserer alten DDR ? So schaut er aus. Aber heute muss er nicht
so frieren wie damals. Sie haben mir so leidgetan, wenn sie in der Kälte bibberten.«
    »Evachen, Evachen, von wejen sanfte. Siehste
nich de Nabn uff seene Bäckchen? Det is een janz Schlimma.«
    »Quatsch, Maxi, das sind Schmucknarben. Das
hab ich mal irgendwo gelesen.«
    »Also det wern wa jlech ham. Ick jeh hin und
frach ihn.«
    »Maxi, du bist unmöglich. Der spricht doch
gar nicht Deutsch. Mir ist das peinlich.«
    »Mir is nüscht peenlich. Ick jeh und frach.«
    Sie ging den Gang hinunter und setzte sich
dem Farbigen gegenüber auf den freien Sitz.
    »Guten Morgen, werter Herr. Darf ich Se mal
was fragen?«
    Maxi bemühte sich um eine korrekte hochdeutsche
Aussprache.
    »Guten Morgen. Fragen Sie. Wenn ich kann, antworte
ich.«
    »Mensch, Se sprechen ja bessa Deutsch wie icke,
da fällt ma ja en Steen von Herzen. Wo ham Se denn dat jelernt?«
    »In Berlin. Sie erinnern mich an meine Studentenzeit
in der DDR . Die Menschen redeten da so wie Sie.«
    »Wat denn, wat denn, Se ham be unsa eens studiert?
Det is jan Ding. Evachen, komm ma her. Det is eener von uns.« Sie winkte aufgeregt
in Evas Richtung.
    »Det dahinten is meene Freundin Eva. De kommt
gleech och«, wandte sie sich ihrem Gesprächspartner wieder zu.
    »Ick heße Maxi. Und wie heßen Sie?«
    »Ich heiße Jussi. Sie können mich ruhig duzen.«
    »Det is aba toll. Jussi, det is’n
prima Name.«
    In der Zwischenzeit hatte Eva ihre Taschen
gegriffen und war nach vorne gekommen. Sie reichte Jussi verlegen die Hand.
    »Guten Morgen. Ich hoffe, meine Freundin war
nicht allzu aufdringlich. Wir wollen nicht stören.«
    »Guten Morgen. Ich heiße Jussi. Sie stören
nicht. Wir können uns duzen.«
    »Oh, angenehm. Ich heiße Eva.«
    »Weeste wat, Evachen, Jussi hat in unsra alten DDR studiert. Wat sachste nu?«, meldete sich Maxi
zu Wort.
    »Nein, ist das wahr? Wo denn da?«
    »In Berlin. Und es war oft schrecklich kalt
und ungemütlich. Heute fühle ich mich richtig wohl«, lächelte er ihr zu und zeigte
seine weißen Zähne.
    In der nächsten halben Stunde berauschten sie
sich an gemeinsamen Erinnerungen und erzählten sich ihre Geschichten, kamen aber
nicht zum Ende, weil der Zug viel zu früh im Westerländer Bahnhof einlief.
    »Wir müssen uns wiedersehen. Wir haben noch
so viel zu erzählen. Du musst arbeiten, nicht wahr, Jussi? Aber was machst du nach
der Arbeit? Bleibst du auf der Insel? Können wir uns treffen? Vielleicht können
wir zusammen essen? Was meinst du, Maxi?«
    »Icke hab nüscht dajejen, janz im Jejenteil.
Wat is mit dir, Jussi?«
    »Gerne. Ich bin gegen 18 Uhr an der Musikmuschel
auf der Promenade. Ganz leicht zu finden. Kann auch später werden. Wartet da auf
mich, ich komme bestimmt. Ich muss los. Bis dann.«
    Er winkte ihnen freundlich zu, zeigte erneut
sein Lächeln und verschwand in der Menge, die dem Ausgang zustrebte.
    Nette Mädels, besonders die kleine, etwas schüchterne
Blondine, dachte Jussi. Sie sieht frisch und gesund aus, ohne aufdringliche Kriegsbemalung.
In den Händen eines Profis hätte sie leicht für einen Versandhauskatalog modeln
können.
    Maxi war größer, wuchtiger und gröber, mit
riesigen grauen Augen und einer etwas groß geratenen Nase. Sie hatte die Kanten
und Ecken in ihrem Gesicht optisch gerundet und geglättet. Lange, braune Haare wellten
sich um ihr Antlitz. Wenn sie den Mund hielt, war sie das Inbild einer jungen, attraktiven
deutschen Frau.
    Er spürte, mehr als ihm lieb war, wie willkommen
ihm die Aussicht war, seinen Alltag auf so angenehme Art unterbrechen zu können.
Er überlegte, wie er in den Genuss der Gastfreundschaft von Baiba kommen könnte,
um nicht darauf angewiesen zu sein, den Zug aufs Festland zu nehmen. Sein Instinkt
sagte ihm aber, dass er sich nicht würde anstrengen müssen, es würde sich einfach
ergeben wie das letzte Mal
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