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Inselkoller

Inselkoller

Titel: Inselkoller
Autoren: Reinhard Pelte
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nur sagen, wo ich die Zutaten und
das Geschirr finde.«
    »Das ist nett von Ihnen«, erwiderte sie dankbar
und erklärte ihm, wo er das Verlangte finden konnte.
    Sie hörte ihn in der Küche leise hantieren,
und nach geraumer Zeit kam er herein, ein Tablett mit Teekanne, Tassen, Zucker und
Sahne in den Händen haltend. Er stellte es auf das Tischchen vor dem Fenster und
sah sich suchend um.
    »Nehmen Sie sich einen Sessel und setzen Sie
sich zu mir«, half sie ihm und schenkte den Tee ein.
    »Zucker und Sahne?«
    »Sahne und viel Zucker, bitte.«
    »Wie darf ich Sie nennen? Ich kann Sie nicht
mehr siezen, wenn Sie in meiner Küche Tee gekocht haben.« Sie nahm den ersten Schluck
und nickte anerkennend.
    »Nennen Sie mich Jussi. So nennen mich alle
meine Freunde. Der Tee schmeckt gut, auch wenn es kein Lipton ist, meine Hausmarke.«
Er lächelte ihr verschmitzt zu.
    »Das beruhigt mich ja«, ging sie auf seine
Bemerkung ein. »Ich gehöre nicht zu Ihren Freunden, was machen wir nun?«
    »Das stimmt, aber Sie könnten es sein. Sie
haben Ähnlichkeit mit der Mutter meines Clans. Nicht die Hautfarbe natürlich, aber
sonst.«
    »Was bedeutet Clanmutter, erklären Sie mir
das?«
    »Die somalische Clanmutter ist die Mutter aller
Mütter im Clan. Sie ist ruhig, weise und kann, was andere Mütter nicht können. Alle
Kinder werden in ihrer Gegenwart ruhig und brav. Sie weiß, wann es regnen wird,
und verzieht sich in ihre Hütte. Und sie ist dick. Das ist bei der Ernährung in
meinem Land ein Zeichen dafür, dass sie aus wenig viel machen kann; eine seltene
und hoch angesehene Gabe.«
    »Ist sie auch diejenige, die eure Frauen beschneidet?«
    Er schwieg und verfluchte seine Landsmännin
Ayaan Hirsi Ali, die durch die Welt reiste und herumposaunte, was außer dem Clan
niemanden etwas anging. Er wollte darauf nicht eingehen und wich aus.
    »Darüber kann ich nichts sagen. Es spielte
bei uns keine Rolle.«
    »Das wäre auch nicht sehr schmeichelhaft. Die
anderen Qualitäten gefallen mir sehr gut. Schön, dass Sie mir die zutrauen. Ich
sag von jetzt ab Jussi zu dir, wenn du gestattest.«
    »Wenn wir schon beim Rufnamen sind, darf ich
Sie Baiba nennen? Das war der Name meiner Clanmutter.«
    »Wir müssen das besiegeln. Bei uns heißt das,
wir stoßen mit einem Schlückchen Alkohol an. Trinkst du Alkohol?«
    »Selten. Ich bin Moslem, aber schon westlich
verdorben«, lächelte er ihr zu und zeigte seine makellos weißen Zähne.
    »Sei doch so nett und hol uns aus dem Kühlschrank
eine Flasche. Nimm bitte die mit dem orangefarbenen Etikett, ›Veuve Clicquot Ponsardin‹
steht drauf. Gläser findest du im Hängeschrank rechts daneben.«
    Sie sah in ihren Garten hinaus und freute sich,
dass die Schauerböen nicht nachgelassen hatten. Er kam mit der Flasche und den Gläsern
zurück. Anschließend wickelte er das goldfarbene Stanniol von der Flasche und drehte
den Korken geschickt mit einem satten Plopp aus dem Flaschenhals. Wo hat er das
wohl gelernt?, fragte sie sich. Nach dem zweiten Glas hatte er ihre ungeteilte Aufmerksamkeit
erobert und erzählte ihr die Geschichte seiner Flucht vor Hunger und Verfolgung
in Somalia und über das Asylantendasein in Deutschland.
    »Ihr ernährt euch schlecht. Ihr seid schlecht
untergebracht. Wenn du heute Abend zurück bist, kannst du nicht einmal duschen.
Deine Arbeit bei mir ist von Rechts wegen illegal und dazu auch noch ausbeuterisch«,
resümierte sie schließlich. Er zuckte mit den Schultern, und sie schwiegen beide.
    »Komm, Jussi, schenk uns noch ein Glas von
diesem köstlichen Zeug ein. Ich überlege, was sich da machen lässt. Heute wirst
du mit der Arbeit im Garten nicht mehr fertig werden, selbst wenn es aufhört zu
regnen, wonach es nicht aussieht. Also wirst du noch ein, zwei Tage auf der Insel
bleiben müssen, nicht wahr?«
    »Ich hätte nichts dagegen. Ich muss aber zurück
nach Niebüll und mich melden. Wenn ich mich nicht an die Regeln halte, droht mir
die Ausweisung«, wandte er ein.
    »Jussi, hol mir bitte das Telefon. Es liegt
in der Diele auf der Konsole.«
    Nachdem er ihr das Telefon gereicht hatte,
wählte sie Clausens Nummer und hatte ihn auch sogleich in der Leitung.
    »Hallo, Clausen, Mendel hier.«
    »Hallo Chefin, gibt’s Probleme mit dem Nigger?«,
fragte er ängstlich besorgt.
    »Clausen, keine rassistischen Ausfälle, bitte.
Es gibt keine Probleme. Ich wollte Ihnen für Ihre Wahl eher danken.«
    »Ich habe es Ihnen versprochen, stimmt’s? Es
freut mich, dass Sie mich
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