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Inselglück

Inselglück

Titel: Inselglück
Autoren: Elin Hilderbrand
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Kontamination zu groß sei. Meredith solle auf der einen Seite des Zauns bleiben, die Jungen auf der anderen. Jedenfalls fürs Erste.
    »Es tut mir leid, Meredith.«
    Das sagte Dev oft.
    Meredith warf einen Blick auf Connie, die ihre lange, schlanke Figur auf den Rücksitz gezwängt hatte. Ihr Kopf war in das Kissen gedrückt, die rotblonden Haare fielen ihr ins Gesicht, und sie hatte die Augen geschlossen. Sie erschien Meredith älter und trauriger – Wolf, ihr Ehemann, war vor zwei Jahren an einem Gehirntumor gestorben – , aber sie war immer noch Connie, Constance Flute, geborene O’Brien, Merediths älteste und ehemals beste Freundin, ihre Freundin seit Ewigkeiten.
    Meredith hatte Connie angerufen, um sie zu fragen, ob sie »eine Zeitlang« bei ihr in Bethesda wohnen könne. Connie war der Bitte kunstvoll ausgewichen, indem sie erklärte, sie werde den Sommer auf Nantucket verbringen. Natürlich, Nantucket. Der Juli stand vor der Tür – eine Tatsache, die Meredith, so gut wie eingesperrt in ihrem Apartment, tatsächlich entgangen war – , und ihre Hoffnung sank.
    »Kannst du nicht jemand anderen anrufen?«, fragte Connie.
    »Es gibt niemand anderen«, sagte Meredith, und zwar nicht, um Connies Mitleid zu erwecken, sondern weil es stimmte. Es erstaunte sie, wie allein sie war, wie verlassen von allen, die in ihrem Leben eine Rolle gespielt hatten. Connie war ihr einziger Rettungsanker. Obwohl sie seit drei Jahren nicht miteinander gesprochen hatten, war sie für Meredith das, was einer Verwandten am nächsten kam.
    »Du könntest dich an die Kirche wenden«, sagte Connie. »Geh in ein Kloster.«
    Ein Kloster, ja. Das hatte Meredith auch schon erwogen, als sie nach Optionen suchte. Draußen auf Long Island, da war sie sich sicher, gab es Klöster; sie und die Jungen waren auf ihrem Weg in die Hamptons immer an einem vorbeigefahren, das abseits des Highways in der Hügellandschaft lag. Sie würde als Novizin anfangen und Fußböden schrubben, bis ihre Knie bluteten, doch irgendwann würde sie vielleicht unterrichten dürfen.
    »Meredith«, sagte Connie. »Das war ein Witz.«
    »Ach so«, sagte Meredith. Natürlich hatte Connie das nicht ernst gemeint. Sie und Meredith hatten ihre ganze Kindheit hindurch katholische Schulen besucht, doch Connie war nie sonderlich fromm gewesen.
    »Ich könnte dich auf dem Weg abholen«, sagte Connie.
    »Und was tun?«, fragte Meredith. »Mich nach Nantucket mitnehmen?«
    »Du schuldest mir einen Besuch. Den schuldest du mir seit 1982.«
    Meredith lachte. Es klang seltsam in ihren Ohren, dieses Lachen. So lange war es her.
    »Du könntest ein paar Wochen bleiben«, sagte Connie. »Vielleicht länger. Mal sehen, wie es läuft. Ich kann nichts versprechen.«
    »Danke«, flüsterte Meredith, schwach vor Erleichterung.
    »Dir ist doch klar, dass du mich seit drei Jahren nicht angerufen hast«, sagte Connie.
    Ja, das war Meredith klar. Was Connie eigentlich meinte, war: Du hast nie angerufen, um dich für das zu entschuldigen, was du über Wolf gesagt hast, oder um mir persönlich zu kondolieren. Aber jetzt rufst du an, wo du im Schlamassel steckst und sonst niemanden hast.
    »Es tut mir leid«, sagte Meredith. Sie sagte nicht: Du hast mich auch nicht angerufen. Du hast dich nie dafür entschuldigt, dass du Freddy einen Verbrecher genannt hast. Jetzt bestand dafür natürlich keine Notwendigkeit mehr. Wie sich herausgestellt hatte, hatte Connie recht gehabt: Freddy war ein Verbrecher. »Holst du mich trotzdem ab?«
    »Ich hole dich ab«, sagte Connie.
    Jetzt hätte Meredith Connie am liebsten geweckt und sie gefragt: Kannst du mir bitte verzeihen, was ich gesagt habe? Können wir uns nicht wieder vertragen?
    Meredith fragte sich, was die Polizisten wohl von dem Spiegel hielten, den sie im großen Badezimmer zerschlagen hatte. In einem Wutanfall hatte sie ihren Becher mit Pfefferminztee dagegengeworfen und das Krachen und Zerspringen des Glases genossen. Ihr Gesicht war vor ihren Augen zersplittert und auf die granitene Ablage und in Freddys Waschbecken gefallen. Verdammter Freddy , dachte Meredith zum eintausendsten Mal. Die Fähre schaukelte auf den Wellen, und ihr fielen die Augen zu. Wenn die Beamten unter ihren schwarzen Uniformen schlagende Herzen hatten, würden sie sie wohl verstehen.

Constance O’Brien Flute
    Sie hatten vereinbart, über nichts Bedeutsames zu sprechen, bevor Meredith sicher in dem Haus auf Nantucket angelangt war. Connie brauchte Zeit, um zu verdauen, was
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