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Inselglück

Inselglück

Titel: Inselglück
Autoren: Elin Hilderbrand
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dem Aluminiumkoffer, der die Badmintonschläger enthielt, mit Kartenspielen und Batterien für die Taschenlampen. Meredith hatte den Hund in seinen Korb verfrachtet, Carvers Surfbrett aufs Wagendach geschnallt, und dann ging es los – tapfer hinein in den Verkehrsstau, der sich von Freeport bis nach Southampton zog. Ihr Timing war immer so schlecht, dass sie unweigerlich hinter dem städtischen Bus stecken blieben. Aber es hatte Spaß gemacht. Die Jungen wechselten sich am Radio mit der Musikauswahl ab – Leo mochte Folkrock, seine Lieblingsband waren die Counting Crows, und Carver wiederum gefiel der Krawall, bei dem der Hund zu jaulen anfing – , und Meredith hatte das Gefühl, je heißer es war und je langsamer es voranging, desto mehr steigerte sich ihre Vorfreude auf Southampton. Sonne, Sand und Meer. Schuhe aus, Fenster auf. An den Wochenenden kam Freddy, erst mit dem Wagen, später mit dem Helikopter.
    Als Meredith jetzt auf die Sommergäste schaute, dachte sie: Leo! Carver! Leo. Armer Leo. All die Jahre hindurch, in denen die beiden heranwuchsen, hatte Leo sich um Carver gekümmert. Ihn beschützt, belehrt, einbezogen. Und nun war Carver derjenige, der Leo stützen, aufbauen musste. Meredith betete darum, dass er seine Aufgabe gut erledigte.
    Aus dem Lautsprecher ertönte eine Stimme, die die Regeln und Vorschriften an Bord verkündete. Das Nebelhorn röhrte, und Meredith hörte fernes Händeklatschen. Die guten Seelen, die das Glück hatten, an diesem schönen Morgen nach Nantucket unterwegs zu sein, applaudierten dem Beginn ihres Sommers. Meredith indessen fühlte sich, als wäre sie noch drei Bundesstaaten von hier entfernt. Genau in diesem Moment würden Beamte des FBI Merediths Penthouse-Wohnung an der Park Avenue betreten und ihre Habe beschlagnahmen. Mit seltsamer Gleichgültigkeit fragte sie sich, wie das wohl ablaufen mochte. Für den Aufenthalt bei Connie hatte Meredith eine Reisetasche mit einfachen Sommersachen gepackt und einen Pappkarton mit persönlichen Dingen – Fotos, ihre Heiratsurkunde, die Geburtsurkunden der Jungen, ein paar ihrer Lieblingsromane, ein ganz spezielles Notizheft aus ihrem ersten Jahr in Princeton und eine Langspielplatte, die 1970er Originalpressung von Simon and Garfunkels Bridge Over Troubled Water, die sie wohl niemals wieder hören würde, doch sie hatte es nicht übers Herz gebracht, sie zurückzulassen.
    Man hatte ihr erlaubt, ihre Brille mitzunehmen, eine Sonnenbrille in ihrer Sehstärke und ihren Verlobungsring, einen Vierkaräter. Der Ring war ein Erbstück von Annabeth Martin, ihrer Großmutter, also nicht mit schmutzigem Geld erworben. Dasselbe galt für die Perlenkette von Merediths Mutter, ein Geschenk zu ihrem Abschluss in Princeton, aber Meredith hatte keine Verwendung für sie. Im Gefängnis konnte sie keine Perlen tragen. Mit ein wenig Voraussicht hätte sie sie verpfänden und den Erlös der armseligen Summe hinzufügen können, die sie hinterlassen hatte.
    Doch wie würde es ihrem sonstigen Besitz ergehen? Meredith stellte sich grimmige, stramme Männer in schwarzen Uniformen und mit Pistolen am Gürtel vor. Einer nahm vielleicht das zierliche Shalimar-Fläschchen von ihrer Kommode und konnte nicht anders, als den Duft einzuatmen. Einer würde das Bett abziehen. Die Bettwäsche war Tausende Dollar wert, aber was würden die Beamten damit tun? Sie waschen, bügeln, verkaufen? Sie würden ihre Hostettler-Skulptur und die Skizzen von Andrew Wyeth mitnehmen und das Calder-Mobile von der Decke im Wohnzimmer abschneiden. Sie würden ihre Schränke durchforsten und die Louboutins und Sergio Rossis einpacken sowie ihre Alltagskleider – Diane von Fürstenberg, Phillip Lim – und ihre Roben – Dior, Chanel, Carolina Herrara. Die Beamten hatten ihr erklärt, dass ihre Sachen versteigert werden und die Erträge einem Entschädigungsfonds für die geschröpften Investoren zugutekommen würden. Meredith dachte an ihr babyblaues Dior-Abendkleid, für das sie neunzehntausend Dollar bezahlt hatte – ein Gedanke, der jetzt vor Ekel einen Würgereiz in ihr auslöste – , und fragte sich, wer es als Nächste tragen würde. Eine sehr zierliche Frau – Meredith maß nur einen Meter dreiundfünfzig und wog fünfundvierzig Kilo. John Galliano persönlich hatte ihr die Robe geschneidert. Wer würde Merediths kupfernes All-Clad-Kochgeschirr bekommen (nie benutzt außer gelegentlich von Leos Freundin Anais, die es für eine Sünde hielt, dass Meredith in ihrer
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