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Inselglück

Inselglück

Titel: Inselglück
Autoren: Elin Hilderbrand
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sie getan hatte. Was habe ich getan? Auf dem Weg von Bethesda nach Manhattan hatte sie sechs Stunden Zeit, sich das wiederholt zu fragen. Es herrschte kaum Verkehr; Connie lauschte im Autoradio der Sendung von Delilah. Die herzzerreißenden Geschichten der Anrufer gaben ihr Auftrieb. Connie wusste, was Verlust war. Wolf war seit zweieinhalb Jahren tot, und sie wartete immer noch darauf, dass der Schmerz nachließ. Fast ebenso lange hatte sie nicht mehr mit ihrer Tochter Ashlyn gesprochen, obwohl Connie sie jeden Sonntag auf dem Handy anrief in der Hoffnung, sie würde sich irgendwann melden. Zum Geburtstag schickte Connie ihr Blumen und zu Weihnachten einen Geschenkgutschein von J. Crew. Zerriss Ashlyn ihn, warf sie die Blumen in den Mülleimer? Connie hatte keine Ahnung.
    Und jetzt hatte sie eingewilligt, nach Manhattan zu fahren und Meredith Delinn abzuholen, ihre ehemalige beste Freundin. Connie nannte sie bei sich »ehemalig«, aber im tiefsten Innern wusste sie, dass die Verbindung zwischen ihr und Meredith nie abreißen würde. Sie waren beide im Speckgürtel von Philadelphia aufgewachsen, hatten in den 1960ern gemeinsam die Grundschule besucht und dann an der Merion Mercy Academy die Highschool absolviert. Sie hatten sich nahegestanden wie Schwestern. Als Teenager waren Meredith und Connies Bruder Toby zwei Jahre lang ein Paar gewesen.
    Connie tastete nach ihrem Handy, das in einem Fach des Armaturenbretts lag. Sie erwog, Toby anzurufen und ihm zu erzählen, was sie vorhatte. Er war der einzige Mensch, der Meredith ebenso lange kannte wie sie; er war der Einzige, der sie vielleicht verstehen würde. Doch die Geschichte von Toby und Meredith war kompliziert. Toby hatte Meredith in ihrer Jugend das Herz gebrochen, und im Laufe der Jahre hatte Meredith Connie immer wieder nach ihm gefragt, wie es eine Frau tut, wenn es um ihre erste große Liebe geht. Connie war diejenige gewesen, die Meredith von Tobys Reisen um die Welt als Skipper von Luxusyachten erzählt hatte, von seinem unsoliden Lebenswandel, der ihn zweimal in Entzugskliniken brachte, von den Frauen, die er kennen lernte, heiratete und verließ, und von seinem zehnjährigen Sohn, der bestimmt genauso ein Prachtstück und Charmeur und Herzensbrecher werden würde wie sein Vater. Soweit Connie wusste, hatten Meredith und Toby sich seit Veronicas Beerdigung vor sechs Jahren nicht gesehen. Bei dieser Beerdigung war etwas zwischen ihnen vorgefallen, das dazu führte, dass Meredith noch vor dem Empfang in ihren Wagen stieg und abfuhr.
    »Ich halte es nicht aus in seiner Gegenwart«, hatte Meredith später zu Connie gesagt. »Es tut zu weh.«
    Connie hatte sich nicht getraut, sie zu fragen, was genau passiert war. Jetzt beschloss sie jedenfalls, Toby nicht anzurufen, so verlockend es auch war.
    Connie hatte Meredith im April auf CNN gesehen, an dem Tag, an dem sie zu Freddy ins Gefängnis gefahren war. Meredith hatte verhärmt ausgesehen, grau, ganz anders als die blonde, Dior tragende Dame der Gesellschaft, die Connie noch vor kurzem aus den Klatschspalten der New York Times angelächelt hatte. Sie hatte Jeans und eine weiße Hemdbluse und einen Trenchcoat angehabt und sich in ein Taxi geduckt, aber ein Reporter erwischte sie, bevor sie die Tür schloss, und fragte: »Mrs Delinn, weinen Sie je über das, was sich ereignet hat?«
    Meredith schaute auf, und Connie traf ein Blitz der Erinnerung. Dieser Gesichtsausdruck, der gereizte Munterkeit widerspiegelte, zeigte die Meredith, die Connie aus der Highschool kannte – die kampflustige Hockeyspielerin, die Turnierturmspringerin, die Stipendiatin.
    »Nein«, sagte Meredith.
    Und Connie dachte: Oh Meredith, falsche Antwort.
    In den nächsten Tagen hatte sie Meredith anrufen wollen. Die Presse war brutal gewesen. (Die Schlagzeile der New York Post lautete: JESUS WEINTE , NICHT ABER MRS DELINN . ) Connie hatte auf sie zugehen und ihr Unterstützung anbieten wollen, das Telefon jedoch nicht angerührt. Sie war immer noch verbittert, weil Meredith zugelassen hatte, dass Geld ihre Freundschaft zerstörte, und außerdem zu sehr in ihrer eigenen Melancholie gefangen, um sich der Probleme Merediths anzunehmen.
    In People hatte Connie ein Foto gesehen, auf dem Meredith aus einem ihrer Penthouse-Fenster spähte. Die Bildunterschrift lautete: Bei Tagesanbruch schaut Meredith Delinn auf eine Welt, in der sie nicht mehr erwünscht ist.
    Die Paparazzi hatten sie im Morgengrauen im Nachthemd erwischt. Arme Meredith! Wieder erwog
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