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Insel meiner Sehnsucht Roman

Insel meiner Sehnsucht Roman

Titel: Insel meiner Sehnsucht Roman
Autoren: Josie Litton
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nicht hier erwartet«, bemerkte Royce.
    Der Schmied zuckte die Achseln. »Ist's denn so schlimm, wenn was Unerwartetes passiert?«
    »Nein, natürlich nicht. Hatten Sie unterwegs irgendwelche Schwierigkeiten?«
    »Nicht die geringsten«, versicherte Mrs. Mulridge. »Alles war so wie immer.«
    Royce schüttelte die Regentropfen von seinem Umhang, legte ihn ab und wandte sich dankbar zum Kaminfeuer, das am Ende der Halle loderte. »Endlich wieder daheim, welch eine Freude!«
    »Von Norden her ziehen neue Regenwolken auf«, verkündete Bolkum. »Das wird eine schlimme Nacht.«
    »Schüren Sie das Feuer«, wies Mrs. Mulridge ihn an.
    Als er in den Holzscheiten stocherte, sprühten Funken empor.
    »Bleiben Sie nicht so lange auf, Mylord«, sagte die Haushälterin zu Royce.
    »Das habe ich nicht vor«, beteuerte er. Doch die beiden hatten sich bereits zurückgezogen.
    Nachdenklich starrte er in die Flammen und dachte, vielleicht würde er einschlafen, wenn er so müde war, dass ihm die Gedanken an Kassandra nicht mehr so schmerzlich erschienen.
    Sie hätte sterben können.
    Diese Worte sagte er sich immer wieder. Und allmählich verloren sie ihren bitteren Klang, den die einzig wichtige Erkenntnis verscheuchte – sie war nicht gestorben, sie lebte. Fern von ihm – aber sie lebte. Und dafür dankte er dem Himmel.
    Sie war tapfer und ehrenwert, eine würdige Atreides – und auch die Kassandra, die bei der ersten Begegnung in einem narzissengelben Kleid getanzt hatte, wie ein übermütiges Mädchen, das im Frühling um einen Maibaum herumsprang.
    Inzwischen hatte der Hochsommer begonnen, obwohl das Wetter eher herbstlich wirkte. Unabhängig von der Jahreszeit durfte er niemals hoffen, die Gefühle für Kassandra aus seinem Herzen zu reißen.
    O Gott, wie sie ihm fehlte – ihre warme Haut an seiner, die Hitze ihrer Leidenschaft, der Klang ihres Gelächters, ihr strahlendes Lächeln, der Glanz ihrer Augen. Manchmal schien die Welt nur noch aus alldem zu bestehen, was er so schmerzlich vermisste.
    Er hätte auf Akora bleiben und um eine Versöhnung kämpfen sollen. Vielleicht wäre er zu diesem Entschluss gelangt, hätte er nicht seiner Pflicht gehorcht. So wie Kassandra ihre Pflicht erfüllt hatte …
    Ja, sie waren beide sehr verantwortungsvoll – eine von vielen Eigenschaften, die sie miteinander verbanden.
    Was mochte sie in diesem Augenblick tun? Schlief sie? Träumte sie von einer Zukunft, zu der er nicht gehörte?
    Er ballte eine Hand und schlug auf den Kaminsims aus altem Eichenholz. War er denn kein Mann, kein Hawkforte?
    Niemals hatten seine Vorfahren auf irgendetwas verzichtet, das von Rechts wegen ihr Eigentum gewesen war.
    Der Wind wehte durch den Kamin herab und fachte das Feuer an. Als Royce hineinschaute, sah er keine Flammen, sondern alte Schatten, die ungebrochene Reihe stolzer Lords und mutiger Ladys, die Hawkforte geprägt hatten. Was würden sie ihm sagen? Immer noch schienen sie an dem Ort zu verweilen, wo sie gelebt und geliebt hatten – geisterhaft und trotzdem so real wie die Mauern ringsum.
    »Royce …«
    Verwirrt drehte er sich um. Doch er sah niemanden. Trotzdem hätte er schwören können, eine sanfte Stimme wäre zu ihm gedrungen.
    Wenn man erschöpft ist, spielt einem die Fantasie seltsame Streiche, dachte er. Aber er war nicht müde. Ganz im Gegenteil, neue Kräfte durchströmten ihn, als wären die Zweifel, die ihn viel zu lange belastet hatten, plötzlich entschwunden.
    »Royce …«
    Er hob den Kopf und schaute zum dunklen Treppenabsatz hinauf. Dort oben war der leise Ruf erklungen. Ein Geist? Wenn ja, war es ein ziemlich jammervoller, nach der Stimme zu schließen.
    »Frierst du nicht?«, fragte das Gespenst.
    »Kassandra …?« Nein, unmöglich. Auf seltsame Weise musste seine Sehnsucht ihr Bild heraufbeschworen haben.
    Und das war verdammt gut gelungen. Sie trug ein hauchdünnes weißes Gewand, vielleicht ein Nachthemd. Leicht zerzaust fiel das ebenholzschwarze Haar auf ihre Schultern.
    Sie sah jung und unsicher aus. Nicht wie die selbstbewusste Atreides. Aber eindeutig wie Kassandra.
    Mit langen Schritten eilte er die Stufen hinauf, von der Macht zahlreicher Generationen durchdrungen. Ja, er hieß Hawkforte. Und da war die Frau, auf die er ein Leben lang gewartet hatte.
    »Ist es in diesem Schloss oft so kalt?«, erkundigte sie sich. »Sogar im Sommer?«
    »Manchmal«, antwortete er. Je näher er an sie herankam, desto realer erschien sie ihm. Besorgt biss sie auf ihre Unterlippe.
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