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Insel meiner Sehnsucht Roman

Insel meiner Sehnsucht Roman

Titel: Insel meiner Sehnsucht Roman
Autoren: Josie Litton
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das silbernen Band der Themse frei, die zwischen grünen Feldern dahinströmte. Und da wurde die Leere in Royces Innerem von einer Sehnsucht erfüllt, die er viel zu lange unterdrückt hatte. Er würde nach London zurückreiten und pochierte Eier essen. Und dann würde er heimkehren.

22
    Zehn Tage. Ausgedehnte Bäder in duftendem Wasser, das an den Abenden allmählich abkühlte. Lange Nächte unter gleißenden Sternen.
    Und eine freudige Begrüßung jeder Morgenröte, denn sie bedeutete, dass wieder ein Tag und eine Nacht verstrichen waren.
    Wieder einmal las sie Werke von Jane Austen und Geoffrey Chaucer und verweilte bei dessen Beschreibung eines »wahren, vollkommenen, edlen Ritters«. Doch diese Worte erinnerten sie viel zu lebhaft an Royce, und so legte sie die »Canterbury-Geschichten« beiseite.
    Sie spielte mit Amelia, schwatzte mit Joanna und stritt mit Alex über die beste Methode, Marinos zu braten, die köstlichen Fische, die sich in akoranischen Gewässern tummelten. Eines Tages überredete sie ihn dazu, ihr das Kartenspiel Euchre beizubringen.
    Und manchmal befasste sie sich mit Handarbeiten, die erstaunlich hübsch aussahen, obwohl sie nur selten die Geduld dafür aufbrachte. Wenn ihr das zu langweilig wurde, zeichnete sie. Aber diesen Zeitvertreib gab sie meistens schon nach kurzer Zeit auf, weil sämtliche Skizzenblätter das Porträt eines goldblonden Kriegers zeigten.
    Sie bürstete ihr Haar und flocht es, entwirrte die Zöpfe und wanderte umher. Ein oder zwei Mal – oder zwanzig Mal weinte sie. Jedes Mal flossen die Tränen ohne Vorwarnung, und sie war wütend auf sich selbst.
    Nacht für Nacht schlief sie schlecht, von verwirrenden Träumen geplagt. Immer wieder der goldblonde Krieger …
    Am achten Tag beschwor Kassandra eine Vision herauf – ganz vorsichtig. Nur zur Übung, sagte sie sich.
    Nichts geschah. Gar nichts. Nicht einmal der schwache Schimmer einer möglichen Zukunft. Und sie litt auch nicht an den gewohnten Folgen solcher Experimente. Keine Kopfschmerzen, keine Übelkeit, keine Schwindelgefühle.
    Am nächsten Tag versuchte sie es noch einmal, mit dem gleichen Ergebnis. Und da wagte sie zu hoffen, sie würde die verschlungenen Wege in die Zukunft nie wieder sehen.
    Als der zehnte Tag anbrach, kühlte die Luft merklich ab, und der Himmel bewölkte sich. Eifrig stieg Kassandra aus der Koje und eilte zur Luke. Einige Stunden später stand sie immer noch davor und erblickte die Türme von London.
    Irgendjemand hämmerte gegen die Haustür. Nur langsam drang das Geräusch in Kassandras Träume und holte sie schließlich aus dem Tiefschlaf ihrer Erschöpfung.
    Peng … Peng … Peng.
    Was mag das sein, fragte sie sich, während sie widerstrebend ins Bewusstsein zurückkehrte.
    Sie war nicht mehr auf hoher See. Endlich hatten sie London erreicht, und sie befand sich in Alex' und Joannas Haus.
    Peng … Peng … Peng.
    Royce! Das konnte nur Royce sein. Vielleicht hatte er erfahren, dass sie zurückgekehrt waren. Ohne noch länger zu überlegen, von einer verzweifelten Sehnsucht getrieben, sprang sie aus dem Bett und rannte zu ihrer Tür. Im letzten Moment bemerkte sie ihre unzulängliche Kleidung und murmelte einen Fluch, riss einen Morgenmantel von der Lehne eines Stuhl und schlüpfte hinein, während sie durch den Korridor stürmte. Ungebändigt wehte das lange Haar hinter ihr her. So schnell die Beine sie trugen, lief sie die Treppe zur Halle hinab.
    Die englischen Dienstboten hielten sich immer noch in Boswick auf. Bevor Alex nach Akora gereist war, hatte er sie dorthin geschickt. Nur Akoraner bevölkerten das Haus, darunter ein halbes Dutzend Wachtposten. Drei dieser Krieger versperrten dem frühen Besucher, der gerade die Schwelle der Haustür überquert hatte, den Weg.
    Erschrocken und fasziniert zugleich starrte er die Männer an. »Odysseus!«, rief er angesichts der Tuniken und der Schwerter in den Waffengurten. »Hektor und Achilles! Die Legionen der Griechen und Trojaner, zu neuem Leben erwacht! Oder wurde ich in die Antike zurückversetzt?«
    O Gott, Byron … Erst von bitterer Enttäuschung, dann von wachsendem Ärger erfasst, blieb Kassandra am Fuß der Treppe stehen.
    Beinahe tanzte der Poet vor lauter Entzücken, während sich die Akoraner verwirrt anschauten. Jeden Augenblick würde er Kassandra sehen. Schlimm genug, dass der Besucher nicht Royce war … Aber Byron vor dem Frühstück – das würde sie nicht ertragen.
    »Geh wieder ins Bett.« Alex erschien hinter ihr
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