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INRI

INRI

Titel: INRI
Autoren: Michael Moorcock
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anderen hatten sich alle am anderen Ende des nackten Kirchenraumes versammelt. Manchmal hörte Karl eines der Mädchen kichern und sah einen Jungen in seine Richtung schielen. Er fühlte sich inzwischen ganz mit sich zufrieden. Er rückte näher an sie heran.
    »Kann ich dir noch eine Tasse Tee holen, Veronica?«
    Sie starrte zu Boden. »Nein, danke. Ich muß jetzt besser nach Hause. Meine Eltern werden sich bestimmt Sorgen machen.«
    »Ich bringe dich nach Hause, wenn du willst.«
    Sie zögerte.
    »Es ist kein großer Umweg für mich«, sagte er.
    »Also gut.«
    Sie standen auf. Er nahm ihre Hand und winkte den anderen zu.
    »Tschüs, alle zusammen! Bis Donnerstag!« sagte er.
    Die Mädchen konnten das Lachen nicht mehr zurückhalten, und er errötete wieder.
    »Tut ja nichts, was ich nicht tun würde!« rief einer der Jungen.
    Karl zwinkerte ihm zu.
    Sie gingen durch die hell erleuchteten Vorortstraßen, beide zu verlegen, um zu sprechen. Ihre Hand lag schlaff in seiner.
    Als sie vor ihrer Haustür ankamen, blieb sie stehen und sagte dann hastig: »Ich muß jetzt reingehen.«
    »Willst du mir nicht jetzt einen Kuß geben?« fragte er. Er starrte immer noch das Kreuz auf ihrer marineblauen Wolljacke an.
    Sie küßte ihn hastig auf die Wange.
    »Das kannst du noch besser«, sagte er.
    »Ich muß jetzt gehen.«
    »Komm«, sagte er, »gib mir einen richtigen Kuß!« Er geriet fast außer Fassung, war puterrot im Gesicht und schwitzte. Er griff nach ihr und zwang sich, ihre Arme zu halten, obwohl ihn ihr dickes, grobes Gesicht und ihr schwerer, plumper Körper schon abzustoßen begann.
    »Nein.«
    Hinter der Tür ging das Licht an, und er hörte ihren Vater im Flur knurren.
    »Bist du das, Veronica?«
    Er ließ seine Hände sinken. »Schön, wenn du so sein willst«, sagte er.
    »Es tut mir leid«, begann sie, »es ist nur, weil…«
    Die Tür öffnete sich, und ein Mann in Hemdsärmeln stand vor ihnen. Er war so dick und grobschlächtig wie seine Tochter.
    »Hallo, hallo«, sagte er, »du hast einen Freund mit?«
    »Das ist Karl«, sagte sie. »Er hat mich nach Hause gebracht. Er ist auch im Klub.«
    »Sie hätten sie ein bißchen früher nach Hause bringen können, junger Mann«, sagte ihr Vater. »Möchten Sie mit hereinkommen auf eine Tasse Tee oder sonst etwas?«
    »Nein, danke«, sagte Karl. »Ich muß nach Hause. Tschüs, Veronika! Wir sehen uns Donnerstag.«
    »Vielleicht«, sagte sie.
    Am nächsten Donnerstag kam er zur Bibelstunde in den Klub. Veronica war nicht da.
    »Ihr Vater hat sie nicht gehen lassen«, erzählte ihm eines der anderen Mädchen. »Es muß deinetwegen gewesen sein.« Sie sagte es verächtlich, er konnte sich das nicht erklären.
    »Wir haben kaum etwas getan«, sagte er.
    »Das hat sie auch gesagt«, erzählte ihm das Mädchen lächelnd. »Sie sagte, du wärst nicht sehr gut darin.«
    »Was heißt das? Sie wollte nicht«
    »Sie sagte, du könntest nicht richtig küssen.«
    »Sie gab mir keine Gelegenheit.«
    »So hat sie jedenfalls gesagt«, sagte das Mädchen und warf den anderen Blicke zu.
    Karl wußte, daß sie ihn herauslocken wollten, spürte sogar, daß sie auf ihre Weise mit ihm flirteten, nicht wußten, was sie von ihm halten sollten, aber er konnte nicht verhindern, daß er errötete, und er verließ die Diskussionsgruppe früh.
    Er ging nie wieder in den Kirchenklub, aber seine Vorstellungen beim Masturbieren wurden in den nächsten Wochen von Veronica und dem kleinen silbernen Kreuz beherrscht, das zwischen ihren Brüsten hing. Selbst wenn er sie sich nackt vorstellte, blieb das Kreuz dort. Es war tatsächlich bald das eigentlich Erregende, und noch lange nachdem Veronica aus seinen Träumen verschwunden war, dachte er an Mädchen mit kleinen silbernen Kreuzen zwischen ihren Brüsten, und der Gedanke verschaffte ihm unglaublichen Genuß.
    4
    Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbe war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat's nicht begriffen. Es ward ein Mensch, von Gott gesandt, der hieß Johannes. Dieser kam zum Zeugnis, daß er von dem Licht zeugte, auf daß sie alle durch ihn glaubten. Er war nicht das Licht, sondern daß er zeugte von dem Licht. Das war das wahrhaftige Licht, welches alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt
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