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Innenhafen

Innenhafen

Titel: Innenhafen
Autoren: Ursula Sternberg
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Leiche wurde schon gestern zur Bestattung freigegeben.«
    »Warum denkt ihr, dass es Mord war?«
    Augenblicklich bildete sich eine steile Falte zwischen Beas Augenbrauen. »Das geht dich nichts an, Toni.« Ihre Finger trommelten erneut ein ungeduldiges Stakkato auf die Schreibtischkante.
    »Aber ermordet wurde er doch? Sonst wärest du nicht mit im Boot«, stellte ich fest.
    »Raus jetzt und lass mich wieder arbeiten.« Ihr Blick schickte die Warnung voraus, die sie dann auch prompt aussprach. »Lass die Finger davon, Blauvogel!«
    Ist ja gut, ist ja gut, murrte ich still vor mich hin, als ich das Präsidium wieder verließ. Ducken und stillhalten. Falsch.  Duck and cover . Ducken und bedecken. Und dann stillhalten, bis die Gefahr vorbei war. Wie die Schulkinder in dem Propaganda-Film, die sich vor der imaginären Gefahr russischer Atombomben unter Schreibtischen verstecken sollten, den Kopf unter den Händen verborgen – ähnlich einer Schildkröte, was auch gleich in Form eines kleinen Zeichentrickfilms illustriert wurde. Aber der Vergleich hinkte. Also verbannte ich die Bilder dieser entsetzlichen amerikanischen Zivilverteidigungs-Filmkampagne der frühen fünfziger Jahre aus meinem Kopf und beschloss, auf dem Holsterhauser Wochenmarkt noch etwas einzukaufen.
    Auf dem Weg dorthin rekapitulierte ich Stück für Stück das Gespräch mit Bea. Also tatsächlich Kurti, dachte ich traurig. Aber viel mehr hatte ich nicht in Erfahrung bringen können. Wieso glaubte die Kripo, dass es Mord war? Welche Anhaltspunkte hatten sie? Und wer hatte Interesse daran, einen Menschen wie Kurti Türauf um die Ecke zu bringen? Das interessierte mich wirklich brennend.
    Ich ging zur Gemarkenstraße, die auf dem Teilstück vor der Kirche für den Wochenmarkt gesperrt war. Zwanzig Minuten lang konzentrierte ich mich auf den Einkauf. Ich begann mit dem Gemüse, begutachtete das Angebot an den diversen Ständen und wählte dann einen knackigen Spitzkohl, der Jahreszeit angemessen. Dann stellte ich mich am Fischstand an. Welcher Fisch zu Spitzkohl? Überhaupt Fisch? Oder vielleicht deftige Mettenden? Ich entschied mich für Zanderfilets, die ich mit einer feinen Kartoffel-Käsekruste überbacken wollte, und kaufte noch etwas geräucherten Speck, um dem Spitzkohlgemüse den richtigen Pfiff zu geben.
    Die Idee kam mir, während ich am Nachbarstand ein paar Äpfel aussuchte. Ich würde Bea und Schütte zum Essen einladen. Hatte ich lange schon tun wollen und immer wieder verschoben. Schaden konnte es nicht. Also rief ich Bea noch mal an, als ich wieder zu Hause war und die Einkäufe verstaut hatte.
    »Komm doch mit Schütte mal zum Essen zu mir«, sagte ich schnell, bevor sie mir als Erstes wieder erzählen würde, dass ich mich aus der Sache raushalten sollte. »Das hatte ich vorhin ganz vergessen.«
    »Du willst mich nur anzapfen!« Beas Stimme klang unnachgiebig, Tadel und Vorwurf in einem.
    »So ein Quatsch. Wir haben uns nur schon lange nicht mehr gesehen, und in meiner neuen Wohnung wart ihr auch noch nie, das ist alles. Gefüllte Kalbsbrust, feines Rübchengemüse aus Steckrüben, Möhren und Petersilienwurzel und zum Abschluss eine Mousse au Chocolat?«, lockte ich.
    »Du gibst auch nie auf!« Ich hörte sie lachen. »Dieses Wochenende kann ich nicht. Bereitschaft. Aber die Woche drauf habe ich frei. Ich werde Schütte fragen«, willigte sie ein. »Wenn er nichts anderes vorhat, kann ich da nicht widerstehen.«
     
     

ZWEI
    Warum ich dort war, konnte ich gar nicht mal genau sagen. Aber irgendwie war mir vollkommen klar gewesen, dass ich herkommen musste, obwohl ich ihn doch vor mehr als achtundzwanzig Jahren aus den Augen verloren hatte.
    Als ich die Kirche betrat, sprang mir sofort Ines ins Auge, klein und mollig, wie sie auch früher schon gewesen war. Und Gerda, unverkennbar Gerda mit ihrer Adlernase und den üppigen Lippen. Schräg hinter ihr Matthes mit immer noch dichtem, vollem Haar, das ehemals flammend rot, nun allerdings vollständig ergraut war. Dann einige mir unbekannte Menschen.
    Aber dort vorne in der zweiten Reihe am Rand, da stand Barbara, die dunklen Haare rattenkurz geschnitten und damit erstaunlicherweise irgendwie noch schöner, als ich sie in Erinnerung hatte. Und der Kerl neben ihr, der sich gerade zu ihr hinüberbeugte?
    Augenblicklich erinnerte ich mich an einen ganz spezifischen Geruch und hielt unwillkürlich die Luft an. Nicht, dass ich ihn direkt in der Nase gehabt hätte, diesen Geruch. Aber die
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