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Inkasso Mosel

Titel: Inkasso Mosel
Autoren: Mischa Martini
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schenkte Kaffee ein.
    Walde schob sich ein Plätzchen in den Mund. Als ihm bewusst wurde, dass er seit dem Frühstück nichts mehr gegessen hatte, schob er gleich das nächste hinterher.
    »Schmeckt’s?«
    Walde nickte mit vollem Mund.
    »Weihnachtsplätzchen schmecken lange vor dem Fest am besten. Hat meine Tochter gebacken.«
    Walde steckte sich ein Vanillekipferl in den Mund und trank einen Schluck Kaffee.
    »Leider ist das die traurige Überleitung zu der Geschichte, weswegen ich Sie gebeten habe, herzukommen.« Stiermann verharrte einige Sekunden mit ernstem Blick. »Meine Tochter ist etwa so alt wie Hanna. Nicht auszudenken … Ich kann den Schmerz der Familie Harras nachempfinden.«
    Als Walde nichts sagte, fuhr sein Chef fort: »Sie wurde heute Morgen in ihrer Wohnung tot aufgefunden. Die Spurensicherung ist bereits vor Ort.«
    Walde versuchte, die Informationen zu sortieren: »Es ist also nicht Ihre Tochter, sondern …«
    »Hanna Harras, die Tochter von Richter Dr. Winfried Harras.«
    »Ich verstehe nicht ganz, warum ich herkommen sollte. Gabi und Grabbe können …«
    »Grabbe ist seit gestern krank gemeldet, und …«, Stiermann zögerte. »Ich sage es Ihnen, wie es ist. Ich halte es für das Beste, wenn Sie dabei sind. Zumindest, was die Gespräche mit Herrn Dr. Harras angehen. Er ist Witwer und soviel ich weiß war Hanna sein einziges Kind. Ich hätte mich persönlich darum gekümmert, aber ich müsste schon längst nach Kaiserslautern unterwegs sein. Der amerikanische Botschafter hat sich zu einem Besuch in Rheinland-Pfalz angesagt.« In Stiermanns Stimme klang Stolz mit. »Und ich bin dort eingeladen in meiner Eigenschaft als Präsident der Deutsch-Amerikanischen-Gesellschaft.« Der Chef sah Walde an: »Wie ist es, können Sie mir helfen?«
    »Was ist mit Gabi?«
    »Ihre Kollegin hat manchmal eine nicht so sensible …«, Stiermann stockte. »Sie hat noch nicht die Erfahrung.«
    »Harras, Richter am Landgericht. Habe ich das recht verstanden?«
    Stiermann nickte: »Ich erwarte von Ihnen das nötige Fingerspitzengefühl.«
    Walde schoss ein Gedanke durch den Kopf: »Dann lassen Sie sich aber bis zu meinem Erziehungsurlaub etwas einfallen.«
    Stiermann hielt in der Trinkbewegung inne und sabberte Kaffee auf die Untertasse: »Davon wusste ich noch gar nichts.«
    *
    Walde fuhr die Kohlenstraße hinauf. Je höher er kam, umso dichter wurde der Nebel. Als rechts die ersten Studentenwohnheime des Universitätsgeländes schemenhaft auftauchten, bog Walde nach links in den Weidengraben ab. Dabei kippte ein Bündel alter Zeitungen um, der im hinteren Teil des Wagens lag. Vor einem der Wohnblocks stand die ihm vertraute Wagenflotte, die üblicherweise bei solchen Anlässen zum Einsatz kam.
    Den Namen Harras fand er weiter unten auf der großen Klingeltafel. Die Haustür stand offen. Die Fliesen im Flur waren sauber, keine Graffiti an den Wänden. Walde lauschte. Er hörte das leise Surren des Fahrstuhls. In dem breiten Korridor des zweiten Stockwerks hingen gerahmte Zeichnungen mit Stadtmotiven an den Wänden. Neben einigen Wohnungstüren standen Pflanzen, teils auf winzigen Holztischen mit kleinen Perserteppichen darunter. Walde erinnerte sich an die mit besticktem Brokat bezogenen Sofakissen und den farblich darauf abgestimmten Telefonbezug von Tante Martha. Gerade wollte er zurück in den Fahrstuhl, als sich eine Wohnungstür öffnete und ein Kollege von der Spurensicherung herauskam. Er grüßte Walde und hielt ihm die Tür auf. In der Diele sah Walde durch die offenen Türen, dass in allen Räumen emsige Betriebsamkeit herrschte. Er folgte dem Klang von Gabis Stimme, die kurze Anweisungen gab. In der Küche fand er seine Kollegin mit einem Gerichtsmediziner und dem Fotografen vom Erkennungsdienst. Eine weitere Person nahm seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch. Im grellen Licht von zwei Fotolampen lag eine nur mit Slip und kurzem T-Shirt bekleidete junge Frau auf dem Fußboden. Sie lag bäuchlings, einen Arm und die obere Hälfte eines angezogenen Beines von ihrem Rumpf verdeckt, das andere Bein gerade, den sichtbaren Arm parallel zur Schulter weggestreckt. Der seitlich auf den Fliesen liegende Kopf war fast gänzlich von Haaren verhüllt. Ein geöffnetes Auge starrte zwischen den blonden Strähnen ins Nichts. Walde atmete tief durch.
    »Bevor wir sie umdrehen, knips sie bitte noch von dort hinten.« Gabi wies mit dem Zeigefinger.
    »Nur für den korrekten Sprachgebrauch, ich bin Fotograf und kein
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