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Inkasso Mosel

Titel: Inkasso Mosel
Autoren: Mischa Martini
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Meier.
    »Übrigens, hier hab’ ich etwas, das Herrn Meier interessieren dürfte.« Der Arzt führte sie zum Tisch seines Kollegen. Vor ihnen lag ein über und über mit bläulichen Krampfadern bedeckter Unterschenkel, der in einem schwärzlichen Fuß endete. Der Assistent wischte sich mit der Hand den Schweiß von der Stirn. Dabei blieb eine Hautschuppe am Rahmen seiner fettigen Brille hängen.
    »Widerlich!«, entfuhr es Walde.
    »Das wurde heute einem Mann amputiert, der partout nicht vom Rauchen lassen will. Wenn der so weiter macht, werden wir bald das Gegenstück hier liegen haben«, erläuterte Hoffmann.
    Meier betrachtete ungerührt das Exponat. Vom Gang her war ein Klappern zu vernehmen, das zweifellos die Ankunft von Gabi ankündigte. Die Tür flog auf und sie stöckelte mit Tempo herein, Grabbe auf leisen Sohlen im Schlepptau. Er blieb an der Tür zurück, während Gabi sich über den Seziertisch beugte.
    »Zu spät für eine Venenkur«, war ihr Kommentar. »Welche Eigenschaften schätzt Frau am Mann am meisten?« Sie wartete einen Moment. »Er sollte eine Kanone im Bett sein, viel Geld verdienen und was von Hausarbeit verstehen.« Sie grinste den Pathologen an: »Dabei sollte Frau nur eins beachten: Die drei dürfen sich nie begegnen.« Das Duett aus Gabis und Hoffmanns Lachen hallte von den kahlen Wänden wider.
    Grabbe stand immer noch in Türnähe und fixierte einen Punkt an der Decke.
    »Kommen wir zu dem Grund, warum ich Sie hergerufen habe.« Hoffmann gab seinem Assistenten einen Wink. Der legte sein Messer beiseite, räusperte sich und verschwand im Nebenraum, um kurz darauf eine Bahre hereinzurollen, auf der ein mit einem Tuch bedeckter Körper lag.
    »Danke, Gottfried.« Hoffmann nahm das Tuch von dem Leichnam. Die Ermordete hatte nicht mehr die verrenkte Körperstellung, wie Walde sie vor wenigen Stunden gesehen hatte. Sie lag auf dem Rücken, die Beine gestreckt, die Arme gerade neben dem Körper. Nur die feinen Nähte verrieten, dass sie einer Autopsie unterzogen worden war.
    »Meine Vermutung hat sich bestätigt: Eine akute Blutung bei HWK-Fraktur fünf bis sieben ist die eindeutige Todesursache. Daneben haben wir eine Rippenserienfraktur zwei bis fünf mit akutem Pneu, dem Zusammenfallen des rechten Lungenflügels, und eine Ulnarfraktur loco typico links gefunden.« Hoffmann wies mit der Hand auf die jeweiligen Stellen. »Dazu kommen Würgemale am Hals und weitere Zeichen von Gewalt an den Handgelenken und ein Schnitt am kleinen Finger der linken Hand.«
    Der Pathologe fasste unter die Hand und hielt sie in die Höhe, wobei der gesamte gestreckte Arm bewegt wurde. »Ein ungewöhnlicher Schnitt an der Außenseite der Handfläche, zumal die Ausbildung der Muskulatur daraufhin deutet, dass es sich bei der Toten um eine Linkshänderin handelte.«
    Das Zuschlagen der Tür ließ alle aufblicken. Grabbe war verschwunden.
    »Du meinst, man schneidet sich als Linkshänder in die rechte Hand«, bemerkte Gabi.
    Dr. Hoffmann nickte: »Der Todeszeitpunkt liegt zwischen 22 und 23 Uhr des gestrigen Abends. Übrigens hatte sie kurz vor ihrem Tod Geschlechtsverkehr.«
    »Spuren einer Vergewaltigung?«, fragte Gabi.
    »Was den vaginalen Bereich angeht, deutet nichts auf Gewalt hin.«
    *
    In der Diele der neuen Wohnung stieß Walde auf Uli, der ihm mit einer Kühlbox in der Hand entgegen kam. Aus dem Wohnzimmer wummerten wieder die Bässe.
    »Ich muss in die Gerüchteküche, ich hab’ Elfie versprochen, dass ich ab sieben wieder da bin.«
    »Danke für deine Hilfe«, sagte Walde.
    »Kein Problem, das Kinderzimmer kann spätestens in zwei Stunden noch mal gestrichen werden. Am Samstag bin ich beim Umzug dabei.«
    Jo kam aus dem Bad. Er hatte sich umgezogen. »Ich bin auch weg, hab’ gleich Sitzung vom Kunstverein.«
    Damit waren die beiden aus der Tür. Walde schaute bei Philipp herein, der mit einem tropfenden Schwamm die Stelle an der Wand betupfte, an der noch eine dünne Restschicht Tapete klebte.
    »Hast du was gegessen?«, brüllte Walde gegen die Musik an.
    Philipp nickte. Er drehte die Musik einen Tick leiser.
    »Gute Arbeit«, lobte Walde. Drei Wände waren komplett von Tapete befreit und die meisten Schnipsel in Müllsäcke gefüllt.
    »Ich mache das noch fertig.«
    »Danke.«
    In der folgenden Stunde verspachtelte Walde schadhafte Stellen im Putz, während Philipp sich mit den hartnäckigen Tapetenresten abmühte. Anfangs dachte Walde, die harten Beats von Philipps Musik nicht ertragen zu
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