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Inkasso Mosel

Titel: Inkasso Mosel
Autoren: Mischa Martini
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Extrablatt nicht bezahlt.
    Vorsichtig löste Walde eine Hand von der Theke und zeigte die offene Innenfläche.
    »Hand runter!«
    Walde tat wie befohlen. Er überlegte. Sollte er versuchen, das Missverständnis aufzuklären?
    »Du verstanden?«
    »Ja, ich bezahlen«, fiel Walde ins gleiche Kauderwelsch. »Bargeld oder Scheck?«
    »Nix Bargeld, nix Schäck, du gähn zu Bank.«
    »Jetzt?«, fragte Walde.
    »Nix jätzt, du gähn morgen zu Bank, sonst …«, er hob das Messer, »isch komme wieder.«
    Das Messer schnellte nach vorn. Walde schloss die Augen und wartete auf den Schmerz. Er spürte, wie der Druck an seinem Kragen nachließ, und federte zurück. Der Mann knallte die flache Hand auf die Theke, drehte sich um und ging zum Ausgang.
    Walde atmete tief durch. Wie dumpfe Hammerschläge pochte der Herzschlag in seinen Ohren. Vor ihm lag etwas Winziges auf der Theke. Es war rund und milchig weiß. Walde betastete seinen Hemdkragen. Der oberste Knopf fehlte. Er strich mit den Fingerspitzen am Hals entlang und betrachtete anschließend seine Hände. Es klebte kein Blut daran.
    Die Küchentür schwang auf, Uli balancierte zwei große Teller in Schulterhöhe.
    »Na endlich gibt’s Essen!«, lallte Rita.
     
    Walde starrte auf den Salatteller, der vor ihm auf der Theke stand. Langsam wurde ihm bewusst, was soeben passiert war. Seine Hand wanderte zum Hemdkragen und befühlte die Stelle, wo sich noch bis vor wenigen Minuten ein Knopf befunden hatte. Eine falsche Bewegung, und der Kerl hätte ihm …
    Er wollte den Gedanken nicht weiterspinnen. Mit Verletzungen am Hals war nicht zu spaßen, das wusste er von Messerstechereien, bei denen er ermittelt hatte.
    »Was ist los?«, fragte Uli.
    »Hast du Schulden?«
    »Alle Geschäftsleute haben Schulden.«
    »Dann möchte ich doch lieber im Staatsdienst bleiben.« Walde trank sein Bier aus und hielt Uli das leere Glas hin. »Du hast dir den richtigen Zeitpunkt ausgewählt, in die Küche zu gehen.« Walde erzählte, was geschehen war.
    »Oh Gott, so ein Mist, das darf doch nicht wahr sein.« Uli bekam sich nicht mehr ein vor Ärger und Scham. »Dass ich dich in so eine Situation bringen musste!«
    »Egal.« Walde winkte ab. »Aber beim nächsten Mal mach’ ich die Putenbrust.«

Donnerstag, 21. November
    Walde wachte in seiner alten Wohnung auf. Er lauschte. Keine Vogelstimmen waren zu vernehmen. Auch die noch schwachen Geräusche des Verkehrs sagten ihm, dass es vor Tagesanbruch sein musste. Im Kopf ging er eine Liste von Materialien durch, die er im Baumarkt besorgen wollte. Dann überlegte er, welche Renovierungsarbeiten er heute in Angriff nehmen würde. Darüber schlief er wieder ein.
    Im Traum tauchten diffuse Bilder aus dem Kreißsaal auf. Er blickte in das Gesicht eines Kindes. Es wirkte wächsern. Ein Kranz von Haaren, die sich lang an den Körper schmiegten, rahmte es ein. Sie reichten bis über die Hüften. Ein Bein verharrte in einer unnatürlichen Position. Er schreckte auf. Schwaches Tageslicht drang durch die Fenster und dazu das Brausen des Verkehrslärms. Die Uhr zeigte sieben Uhr dreißig.
    Eine Stunde später lud er Farbtuben, Spachtelmasse und einen variabel verstellbaren Schraubenschlüssel, dem er am Schnäppchenregal des Baumarktes nicht hatte widerstehen können, aus dem Kofferraum des Volvos. Eine Kiste Wein, von zu Hause mitgebracht, trug er als erstes in den Keller. In der Wohnung hatte der Geruch nach altem Kleister und Tapeten noch immer die Oberhand über die frische Farbe behalten.
    Walde hatte gerade einen Becher Spachtelmasse angerührt, als es an der Wohnungstür klingelte. Diesmal war es die bekannte Zwei-Ton-Sequenz aus Beethovens Fünfter Sinfonie, die der Zufallsgenerator ausgewählt hatte.
    »Stör’ ich?« Grabbe blieb in der Wohnungstür stehen.
    »Komm’ herein!«, forderte Walde ihn auf.
    »Stör’ ich wirklich nicht?«
    »Wenn es dir nichts ausmacht, dass ich weiterarbeite?« Walde schüttete Pulver aus der Kleisterpackung in einen halb mit Wasser gefüllten Eimer. »Du warst gestern so plötzlich aus der Pathologie verschwunden.«
    »Ich musste an die frische Luft.«
    »Ist dir wieder schlecht geworden?«
    »Dieser Assistent von Hoffmann ist ein Ekelpaket. Hast du gesehen, dass der nicht mal Handschuhe trug?« Grabbe verzog das Gesicht. »Und dann hat er sich noch den Hautfetzen an die fettigen Brillengläser geschmiert. Unmöglich, dieser Typ.«
    »Das Bein war schlimmer«, sagte Walde.
    »Hatte er kurze Hosen an?«
    »Nein, das
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