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Ingrid

Ingrid

Titel: Ingrid
Autoren: Felix Thijssen
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Vermieter gewesen war, der mich wegen inszenierter Verhaftungen, Hausdurchsuchungen und zunehmend zwielichtiger Besucher so schnell wie möglich aus der Wohnung über seinem schicken Amsterdamer Büro heraushaben wollte.
    Die Frau streifte ihre Tennisschuhe ab. »Ich mache alles dreckig.«
    »Da ist das Badezimmer. Soll ich irgendjemanden anrufen?«
    »Lieber nicht.« Sie war begeistert von meinem Bad, einem großen, geschmackvoll gefliesten Raum, der wiederum auf einer anderen Ebene lag und mit Badewanne und Duschkabine, Toilette und zwei Waschbecken ausgestattet war.
    »Ach, jetzt ein heißes Bad!«
    »Kein Problem.« Ich spülte mir den Schlamm von den Händen, drehte die Hähne auf und legte saubere Handtücher auf einen Hocker neben die Wanne. Aus einer Flasche Badezusatz goss ich einen tüchtigen Schuss ins Wasser. Das Badezimmer begann nach Dampf und grünen Äpfeln zu duften.
    Sie wies mit einem Nicken auf meine schmutzige Kleidung. »Und was ist mit dir?«
    »Ich dusche dann nachher.«
    »Du kannst ruhig gleich unter die Dusche. Ich gucke schon nicht hin.«
    »Aber ich vielleicht«, musste ich wohl oder übel zugeben.
    Ihr Gesicht war schlammverschmiert, aber sie hatte ein hübsches Lächeln – und irgendwie auch etwas Verwirrendes. »Bitte bleib doch hier. Um ein Haar wäre ich ertrunken«, sagte sie und löste das Band, mit dem ihr durchweichter Jerseypullover am Halsausschnitt verschnürt war.
    »Ich weiß ja noch nicht mal, wie du heißt.«
    »Ingrid.« Ihr Kopf verschwand im Pullover.
    Der Name versetzte mir einen merkwürdigen kleinen Stich, obwohl diese Ingrid meiner vor Jahren verunglückten Ehefrau in keiner Weise ähnlich sah und nur per Zufall genauso hieß wie sie. Das hatte nichts mit Vorsehung zu tun und war auch kein karmisches Komplott. »Ich bin Max«, murmelte ich. »Max Winter.«
    Sie hatte einen gesunden, braunen Körper mit festen, runden Brüsten in einem nassen, hellblauen BH. Keine Spur von Speckröllchen oder Falten. Ich schätzte sie auf Mitte dreißig. Sie war äußerst attraktiv, und ich konnte allmählich eine kalte Dusche gut gebrauchen, als sie ohne eine Spur von Verlegenheit ihre Tennisshorts auszog und mit einem schalkhaften Lächeln ihren BH aufhakte.
    Ich verschwand in der Duschkabine, zerrte mir dort die nasse Kleidung vom Leib, schrubbte den Schlamm ab und spülte meine Haare aus, während meine Ertrinkende auf der anderen Seite der gekachelten Wand summend in ungefährlichen Gewässern trieb. Ich trocknete mich in der Duschkabine ab und knotete mir ein Badetuch um die Hüften, bevor ich herausstieg.
    »Du weißt doch, was es für Konsequenzen hat, wenn man jemandem das Leben rettet?«, fragte Ingrid, als ich meine schmutzige Wäsche vom Fußboden aufhob. Lächelnd saß sie in der Wanne, und ein entzückendes Knie und pikante Brustrundungen ragten aus den Schaumbergen empor: ein Bild wie aus einem Fünfzigerjahrefilm mit Doris Day, in Technicolor.
    »Natürlich«, scherzte ich leichthin. Ich wusste zwar nicht mehr so genau, was einem dann blühte, aber es reichte für gefährliche Gedanken. »Das Vergnügen war ganz meinerseits«, sagte ich daher nur. »Außerdem wärst du nicht ertrunken. Oder kannst du nicht schwimmen?«
    »Es bedeutet, dass du fortan für mich verantwortlich bist«, sagte sie mit feierlichem Nachdruck, der nur zur Hälfte gespielt wirkte.
    Ich lächelte verlegen. »Das gibt’s doch nur im Märchen.«
    »Das meinst du.« Sie lachte fröhlich und begann, mit Wasser und Schaum zu spritzen. Ich flüchtete aus dem Bad und machte mich auf die Suche nach etwas Trockenem zum Anziehen.
    Zehn Minuten später kam sie zum Vorschein, gehüllt in meinen weinroten Bademantel und mit ihren ausgespülten und ausgewrungenen Kleidern in der Hand. »Und wie soll ich die jetzt trocken kriegen?«
    Ich ging ihr voraus in die drei Stufen tiefer gelegene Küche, einer Luxusversion mit indigoblauen Bodenfliesen, blütenweißer Einrichtung und Aussicht auf meine Apfelbäume. Als ich mich bückte, um ihre Sachen in den Trockner zu stecken, legte sie eine Hand auf meinen Rücken, als drohe sie, das Gleichgewicht zu verlieren.
    »Geht’s?«, fragte ich.
    »Ja. Du hast wirklich ein schönes Haus.« Sie hatte einen hübschen Mezzosopran. »Was ist hier drüber?«
    »Das Schlafzimmer.«
    »Darf ich mir das auch anschauen?«
    »Was ist vorhin denn eigentlich passiert?«
    Ingrid grinste. »Ich bin im Schilf stecken geblieben, habe mich an dem Ast festgehalten, und das Boot wollte
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