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Ingrid

Ingrid

Titel: Ingrid
Autoren: Felix Thijssen
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in einen vergessenen Käsewürfel mit Ingwer, während sie Whisky in mein Glas goss und Eis aus einem Silbereimer hinzufügte.
    Auf dem Käse herumkauend schlenderte ich hinüber zu einem massiven Sandsteinbogen neben der Bar. Dahinter führten geflieste Stufen hinauf zu einem höher gelegenen Anbau auf der Deichseite. Das musste die Domäne des Hausherrn sein. Ein massiver Holzschreibtisch mit einem Computer darauf, umgeben von einem Chaos aus Papieren und Stiften, auf Umschläge und Memozettel gekritzelten Geistesblitzen, einer Postablage, einem Taschenrechner und wahrhaftig einer Pfeife. Der Arbeitsplatz eines Autors, nur konnte ich nirgends Bücher mit dem Namen Peter Brack darauf entdecken. Auf den Regalen rund um den Schreibtisch standen vorwiegend Nachschlagewerke und Klassiker.
    »Du hast dich ins Allerheiligste verirrt.«
    Ich drehte mich um. »Bitte sei mir nicht böse.«
    »War nur ein Witz. Ich habe kaum Geheimnisse, und Ingrid auch nicht, du kannst dich also ruhig im ganzen Haus umsehen.« Peter Brack lächelte gezwungen, und wieder war es mir ein Rätsel, was er damit sagen wollte. Durch das Grau, das in seinem blonden Haar allmählich überhand nahm, die dicken Ränder unter den Augen, sein Doppelkinn und die Hängebacken wirkte er ältlich und auch ziemlich abwesend, als halte er sich mit Prozac auf den Beinen.
    »Schreibst du Romane?«, fragte ich.
    »Was treibst denn du so?«
    »Nachforschungen.«
    »Aha, davon kann ich auch ein Lied singen. Ich war früher Journalist und arbeite derzeit an einem historischen Roman.« Peter setzte sich an seinen Schreibtisch. »Sagt dir der Name Witte van Hunsate etwas?«
    »Ich war schon froh, wenn ich in Geschichte eine Vier hatte.«
    Peter nahm ein löffelförmiges Instrument zur Hand und begann, damit in seiner Pfeife herumzuwühlen. »Selbst wenn du eine Eins gehabt hättest, hättest du noch nie von ihm gehört, das ist ja das Besondere an meinem Thema. Witte war ein illegitimer Sohn Floris des Fünften. Mein Buch handelt von seinem Leben, seinen Liebschaften und seinen Kriegstaten. Der Mann wurde bisher von sämtlichen Historikern ignoriert, als hätte es ihn nie gegeben. Ich versuche herauszufinden, was dahinter steckt. Ich bin mir sicher, dass es mehr als nur die Tatsache ist, dass er ein Bastard war. Der tapferste Spross derer von Orléans war schließlich auch einer.«
    Er klopfte auf ein offensichtlich viel gelesenes Exemplar des Romans Wald der Erwartung von Hella S. Haasse, eines meiner Lieblingsbücher.
    »Woher weißt du überhaupt, dass es deinen Bastard tatsächlich gegeben hat?«
    »Aufgrund von Nachforschungen.« Peter löffelte halb verbrannten Tabak in einen Kristallaschenbecher. Über seine Ehe konnte ich nur Vermutungen anstellen, doch seine Besessenheit von seinem Romanhelden vermittelte mir den Eindruck, dass er sich verzweifelt in eine Fantasiewelt stürzte, um sich aus der Realität heraushalten zu können. »Hunsate ist natürlich der lateinische Name für Heusden«, sagte er dozierend. »In Heusden ist jedoch nichts über Witte zu finden; ich habe noch lange nicht alles zusammen. Vielleicht sollte ich dich mal engagieren.« Er lachte kurz auf. »Ich habe Hinweise darauf gefunden, dass er eine der faszinierendsten Personen seiner Zeit war, dass er an den Kreuzzügen und der Goldsporenschlacht teilgenommen hat. Doch erst danach wurde er ein echter Held, als er sich gegen Papst Clemens stellte, weil der die Templer verbannte. Danach kämpfte er gegen die Johanniter, die sich das Eigentum des Templerordens unter den Nagel rissen. An die Templer erinnerst du dich doch sicher noch?«
    »Vage.« Er schien ganz schön viel über eine Person zu wissen, über die es keine Informationen gab. »Kannst du denn von einem historischen Roman leben, der noch nicht fertig ist?«
    Sein enthusiastischer Gesichtsausdruck verschwand, als hätte ich ihm sein Spielzeug weggenommen. Er griff in das unterste Regalfach hinter seinem Schreibtisch und zog eine Hand voll dünner Hefte hervor, die er fast widerstrebend vor sich hinwarf. »Kitschromane für den Schreibwarenladen und den Supermarkt. Wenn nötig, kann ich jede Woche einen runterschreiben.«
    Ich betrachtete die bunten Umschläge. Liebe in der Brandung, Danielles Traum, Der schottische Geliebte, Sallys Erbe und andere Werke einer gewissen Germaine Hastings. Ich grinste und sagte aufmunternd: »Barbara Cartland ist ziemlich reich damit geworden.«
    »Sie ist ein Rolls-Royce im Vergleich zu den Produkten
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