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Ingrid

Ingrid

Titel: Ingrid
Autoren: Felix Thijssen
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trocknete mein Haar mit Papiertüchern aus einem Automaten. Um einen hastigen und beiläufigen Eindruck zu erwecken, nahm ich ein paar mit und rubbelte mir damit über den Kopf, während ich zur Rezeption hinüberging. Diesmal saß dort eine andere junge Frau, die jedoch ebenso gut Englisch sprach wie ihre Vorgängerin. »Wurde für morgen früh für Zimmer Nummer 416 ein Taxi bestellt?«
    Prompt schaute sie für mich nach. »Nein, kein Taxi, nur Frühstück, um halb zehn. Soll ich ein Taxi reservieren?«
    »Nein, nein, das ist nicht nötig, die Dame fährt mit uns mit.«
    Sie lächelte, und ich flüchtete zum Aufzug.
    Nel stand unter der Dusche. Es war eine kleine Dusche, und ich passte gerade so mit hinein.

 

19
     
     
    Um acht Uhr saßen wir hinter nassen Fenstern im Frühstückssaal. Um Viertel nach neun ging ich hinaus, um den Renault zu holen. Es hatte aufgehört zu regnen, doch die Stadt und die Zitadelle waren in hartnäckigen, dichten Meeresdunst gehüllt. Ich fuhr eine Runde über den Boulevard und auf dem Fahrstreifen für langsamen Verkehr wieder zurück. Fünfzehn Meter vom Hotel entfernt fand ich eine Parklücke und gab Nel, die mit unseren Taschen vor dem Eingang bereitstand, mit der Lichthupe ein Zeichen, bevor ich einparkte.
    »Man ist so komisch machtlos«, sagte Nel, als wir vorne im Renault saßen und durch die beschlagenen Scheiben in den Dunst hinausschauten. Alle Autos hatten die Scheinwerfer eingeschaltet. »Wir könnten uns zur Not aus unserer Deckung herauswagen, aber wir können ihr nichts anhaben.«
    »Vielleicht hätten wir besser bei der Polizei bleiben sollen.«
    Nel lachte.
    »Aber selbst dann hätten wir hier keinerlei Befugnisse«, fügte ich hinzu. »Die spanische Polizei geht äußerst ungnädig mit ausländischen Kollegen um, die ihnen hier die Touristen belästigen.«
    Nel wandte mir ihr Gesicht zu. »Gib mir einen Kuss.«
    Ich küsste ihre Lippen.
    Sie schaute wieder geradeaus vor sich hin. »Was für ein Mistwetter.«
    »Stell dir vor, wir wären hier auf Hochzeitsreise«, scherzte ich. »Noch einen Kuss?«
    »Der war nur dafür, dass du kein Polizist mehr bist. Deine Freiberuflichkeit hat deinen Horizont erweitert.« »Dann lass uns ein bisschen Scrabble spielen.«
    »Ich kann aber keine dreizehn Buchstaben und das Brett im Kopf behalten.«
    »Okay, dann nehmen wir nur fünf Buchstaben. Die ersten fünf ziehst du, danach geben wir sie uns abwechselnd gegenseitig. Du fängst an.«
    Nel dachte nach. »Arm«, sagte sie dann.
    »Das ist nett.«
    »Ich habe auch ein ›sch‹, aber ich will ja schließlich anständig bleiben.«
    »Auch nett.« Ich grabbelte über einen imaginären Tisch. »Du bekommst ein O, ein I und ein N.«
    Ein Taxi mit Standlicht rollte an uns vorbei, aber wir bemerkten es erst, als es fünfzehn Meter weiter vor dem Hotel anhielt.
    »Tango«, sagte ich.
    »Deine ganzen fünf Buchstaben?«, fragte sie ungläubig.
    »Ich lege es horizontal über dein ARM. Dann kriege ich TA und AR als extra Worte. AR ist ein schweizerisches Flächenmaß. Alles zusammen macht das sechsundzwanzig Punkte.«
    Der uniformierte Portier kam heraus, und der Taxifahrer übernahm einen Koffer von ihm. Der Portier öffnete die hintere Autotür und ließ Ingrid und Tommy einsteigen.
    »Was ist TA?«, fragte Nel.
    Ich ließ den Motor des Renault an. »TA ist die Kurzform des bekannten Dialektwortes für Spazierengehen, Tattagehen.«
    »Du bist auch Tatta«, sagte Nel.
    Der Taxifahrer stieg ein und fuhr los. Ich ließ zwei Autos vorbei, bevor ich ihm folgte. Das Taxi ordnete sich links ein und schwenkte in Höhe der Seitenstraße auf den Mittelstreifen des Boulevards. Es gelang mir mühelos, ihm zu folgen.
    »Zum Flughafen hätte er hier links gemusst«, sagte Nel, die einen Stadtplan gekauft hatte.
    »Vielleicht kennt er einen Schleichweg.«
    »Dann müsste er die gesamte Uferstraße entlang und um die Zitadelle herumfahren. Wenn ich genauso falsch spiele wie du und dein TA akzeptiere, werde ich meine fünf Buchstaben alle auf einmal mit STALION los.«
    »Mist«, entfuhr es mir und ich bremste.
    Wir waren am Verwaltungsgebäude auf dem letzten Kai vorbeigefahren, und vor uns nahm die plumpe Masse der Isla de Botafoc aus dem Nebel heraus Gestalt an.
    Ich hielt gegenüber an der Bordsteinkante, an derselben Stelle, an der der Panda gestanden hatte. Das Taxi drehte auf dem Umschlagplatz und fuhr dann auf dem Kai zurück bis dicht an die blaue Treppe, die bereits an der Fähre befestigt
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