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Ingrid

Ingrid

Titel: Ingrid
Autoren: Felix Thijssen
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auf ein Zimmer in der ersten Etage mit Blick auf den Boulevard. Ich bezahlte sofort, inklusive Frühstück, weil wir vielleicht früh aufbrechen wollten, und bekam eine Schlüsselkarte. Die hatten sich inzwischen auch auf Ibiza durchgesetzt.
    Ich rief Thomas Niessen an und erklärte ihm das Problem. Er saß mit Louise in einem Restaurant, in dem Handys verpönt waren, sodass er mich kurz warten ließ, um hinauszugehen.
    »Und du glaubst, dass sie morgen ein Flugzeug nimmt?«
    »Ja, das halte ich für wahrscheinlich. Das Problem besteht darin, dass ich sie nicht aufhalten oder ihr Tommy wegnehmen kann, ohne dass sie Zeter und Mordio schreit, und dann muss ich in Handschellen tatenlos zusehen, wie ihr Flugzeug abhebt. Vielleicht kann ich Tickets für dieselbe Maschine bekommen, dann können wir ihr folgen. Aber sie wird uns bestimmt bemerken, denn hier landen keine Riesenjumbos. Dann veranstaltet sie entweder einen Aufstand oder ignoriert uns und versucht, uns in der Stadt loszuwerden, in der wir landen. Einer unbekannten Person kann man leicht um die halbe Welt folgen, aber nicht jemandem, der weiß, wer man ist und was man bezweckt. Das ist schlichtweg unmöglich.«
    »Was schlägst du vor?«
    »Dass ihr den Einfluss der Firma Louis Vredeling bei der Staatsanwaltschaft oder in irgendeinem Ministerium geltend macht und zu veranlassen versucht, dass morgen früh irgendein offizieller Funktionär auf dem hiesigen Flughafen wartet, jemand von Interpol oder vom spanischen Zoll.«
    »Das ist keine Kleinigkeit. Ich werde mal mit Vredeling darüber reden.«
    »Es gibt doch bestimmt einen Iberia-Schalter am Flughafen, dort melde ich mich morgen früh, und dann werde ich ja erfahren, ob es geklappt hat. Wenn ich nichts höre, gebe ich dir ihr Ziel telefonisch durch, wir kriegen es bis dahin schon noch raus. In dem Fall kannst du es vielleicht so einrichten, dass sie am Zielort erwartet wird, das verschafft dir auch mehr Zeit.«
    »Ich tue mein Bestes«, versprach Niessen. »Aber versuche ihr auf jeden Fall zu folgen, auch mit dem Flugzeug.«
    »In Ordnung.«
    Ich verfuhr mich glatt zweimal auf den inzwischen stockdunklen Landstraßen, bis ich endlich vor dem Hotel in Cala Llonga hielt. Nel und ich packten unsere Sachen, unser Klient bezahlte für das unbenutzte Hotelzimmer mit Balkon, und dann fuhren wir erneut quer über die dunkle Insel.
    Zu zweit schien alles einfacher.
    Wir gingen im Hotel Don Toni kaum ein Risiko ein, solange wir ein bisschen aufpassten. Ingrid würde Tommy nicht allein in ihrem Zimmer im vierten Stock lassen. Sie könnte höchstens mal kurz in die Bar unten hineinschauen, aber ich hatte in der Eingangshalle ihr Gesicht gesehen, und das sah nicht danach aus, als wäre ihr nach Drinks und Flirts in einem spanischen Hotel zumute.
    Trotzdem hielten wir es für sicherer, außerhalb zu essen. Wir entschieden uns für das Restaurant in der Seitenstraße, in der ich vorhin geparkt hatte. Wir fanden einen freien Tisch auf der überdachten Terrasse, zwischen Touristen und Spaniern.
    »Vielleicht sollten wir über irgendetwas anderes reden«, schlug Nel vor, als wir mit dem Hauptgericht anfingen. »Um noch ein bisschen von der Romantik auf Ibiza zu retten.«
    »Ich ertrinke in deinen Augen, sie sind schöner und ergreifender als das schönste Gedicht, ich finde keine Worte, weil mein Herz fast aufhört zu schlagen«, sagte ich feierlich.
    Sie zog eine Augenbraue hoch. »Wo hast du das denn her?«
    »Aus einem Film.«
    CyberNel nickte. Auf ihrem Teller lagen sechs große, gegrillte Gambas. Sie brach eine aus der knusprigen Schale und sagte: »Wie dumm von ihr. Ingrid hätte einfach dort bleiben und die Sache aussitzen können, wir tun ihr nichts, und sie hätte es länger ausgehalten als wir. Warum ist sie bloß abgehauen?«
    »Ich dachte, du hättest Sehnsucht nach Romantik?«
    »Nicht nach so doofer Romantik.«
    Ich lachte. Sie ließ mich ein Stück von ihrer Gamba probieren. Ich kaute darauf herum und sagte: »Vielleicht haben sie sich gestritten. Oder ihnen sind die Nerven durchgegangen wegen meiner Drohungen in puncto Komplizenschaft und Interpol. Amrita ist bestimmt nicht erpicht darauf, die Polizei im Haus zu haben.«
    Ich schnippelte an einem großen Tintenfisch herum, der mit Krabben und anderen Meeresfrüchten gefüllt war. Wir tranken einen kalten spanischen Rosé dazu. »Ich kann schon verstehen, dass Ingrid weg wollte«, sagte ich. »Sie konnte den Jungen schwerlich tagelang in diesem Haus einsperren.
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