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Inferno

Inferno

Titel: Inferno
Autoren: Edward Lee
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erste Mal hier gewesen war, hatte Via ihr sogar erzählt, dass die Niederen Sphären auf einer physischen Existenzebene in der Nähe des Himmels lagen.
    Aber hier, das wusste sie inzwischen, konnte ein einziger Zentimeter gleichbedeutend mit einer Million Kilometer sein.
    Der Himmel war hier nicht rot; er wirkte eher auf seltsame Art farblos, dennoch flogen zarte bläuliche Wolken vorbei, und die Luft war so frisch, dass sie fast berauschend wirkte. Das Paradies in der Verdammnis. Doch gerade durch seinen Luxus und die Schönheit war dieser Stützpunkt der Beweis für Ezoriels Hingabe. Er könnte einfach die Ewigkeit hier verbringen, inmitten all dieser Pracht – eine ziemlich große Versuchung an einem Ort, der aus der Versuchung geboren wurde -, doch stattdessen hatte er sich entschieden, den entsetzlichen Straßen und Gassen der Stadt die Stirn zu bieten, um seinen Kampf gegen das Unrecht Luzifers und seiner Regierung weiterzuführen.
    Die sanfte Brise streichelte über ihre lebendige Haut. Als sie in die grenzenlose Ferne blickte, glaubte sie, einen Spatz vorbeifliegen zu sehen.
    Schritte näherten sich.
    Sie drehte dem Steinwall den Rücken zu und entdeckte Ezoriel in einem schimmernden silbernen Brustpanzer, der über den schmalen Weg auf sie zukam.
    Seine Stimme war noch immer dazu geeignet, sie um den Verstand zu bringen.
    »Habt Ihr irgendeinen Wunsch, Heilige Cassie?«
    »Nein, danke«, entgegnete sie.
    »Auch wenn unsere Schlacht verloren ist, so haben wir doch viel erreicht für den weiteren Kampf. Und so wird es immer sein. Eure Anwesenheit hat uns gesegnet, und dafür sei Euch auf ewig Dank.«
    »Ich hab ja eigentlich gar nichts getan«, sagte sie abwehrend. »Ich hab’s versucht, aber alles ging schief.«
    »Ihr habt mehr getan, als Ihr Euch vorstellen könnt. Nicht nur habt Ihr Luzifer die schlimmste Demütigung seiner Herrschaft zugefügt, Ihr habt auch mir selbst und meinen Legionen ein unermessliches Geschenk gemacht.«
    Ein Geschenk? Cassie war erstaunt. »Was für ein Geschenk?«
    »Die Hoffnung«, sagte der Gefallene Engel. »Im Reich der Hoffnungslosigkeit.«
    Cassie zuckte mutlos die Schultern.
    »Selbst wenn Ihr niemals in die Hölle zurückkehrt – was ich Euch inständig raten möchte -, wird Eure Zeit bei uns niemals vergessen werden. Eure Seele und Eure Anwesenheit haben uns unerschöpfliche Kraft verliehen.«
    »Das ist wirklich zu freundlich von Ihnen«, antwortete sie müde. »Ich würde ja gerne mal zurückkommen und euch helfen, aber …« Was sollte sie sagen? Dass sie Angst hatte? Natürlich hatte sie Angst. »Ich habe noch einen Vater – und ein Leben – an einem anderen Ort.«
    »Selbstverständlich. Ihr gehört hier nicht her.«
    Wenn ich zurückkommen würde, könnte ich getötet werden, wusste sie. Wie oft war sie schon beinahe gestorben?
    Sie senkte die Stimme. »Was ist, wenn ein Ätherkind stirbt? Ich meine, wenn es in der Hölle stirbt?«
    »Das darf ich nicht sagen«, sagte Ezoriel sanft. »Es ist ein Geheimnis.«
    Na super , dachte Cassie und stützte sich mit den Ellbogen auf den Wall, das Kinn in den Händen. Doch Ezoriel hatte Recht, und selbst wenn sie aus Furcht niemals hierher zurückkehren würde, dann wäre es richtig. Ihr Leben – ihr lebendiger Körper und ihr Verstand – waren sehr wertvoll; das Leben selbst war wertvoll, und das wusste sie jetzt. In der Hölle zu sein, all dieses Elend und die grenzenlose Verzweiflung zu erleben, hatte sie zumindest das gelehrt.
    Sie zuckte innerlich zusammen, als sie daran dachte, wie sehr sie früher ihr Leben gehasst hatte, wie oft sie versucht hatte, es zu beenden.
    Nie wieder würde sie die Welt der Lebenden für selbstverständlich halten.
    Plötzlich fiel ihr wieder ein, warum sie hergekommen war.
    Lissa.
    »Als wir in Blackwells Folterkammer waren«, fing sie an, »da sagte Lissa einige Dinge, die ich nicht verstanden habe. Sie hat angedeutet, dass ihr euch kennt. Sie hat gesagt, ihr wäret früher Freunde gewesen.«
    »Ja.«
    »Wie kann das sein?«
    »Ihr habt vermutlich das Brandzeichen auf ihrem Bauch bemerkt«, sagte Ezoriel. »Das Pentagramm. Es war ein Merkmal eines Bewegungszaubers. In Eurer Welt werden Tiere gebrandmarkt, um die Besitzrechte zu beweisen. Hier ist das ähnlich, aber da gibt es noch etwas.«
    So viel begriff sie: Das Brandzeichen bedeutete, dass Lissa jemandem gehörte. Jemandem aus der Hölle. »Bewegungszauber«, wiederholte sie das Wort. »War es nicht auch ein Bewegungszauber, der mir
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