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Infernal: Thriller (German Edition)

Infernal: Thriller (German Edition)

Titel: Infernal: Thriller (German Edition)
Autoren: Greg Iles
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egal, was er getan hat! Ich will nur wissen, ob er die Wahrheit sagt, das ist alles!«
    De Becque nickt. »Es ist die Wahrheit.«
    »Der Anruf?«, frage ich leise. »Der nächtliche Anruf aus Thailand?«
    »Das war Ihre Schwester. Sie war betrunken und ein wenig durcheinander. Sie hatte erst kurz zuvor die Wahrheit über ihren Vater erfahren, und sie war deprimiert.«
    »Ich will nach Thailand«, sage ich zu ihm. »Auf der Stelle.«
    Der alte Franzose erhebt sich aus dem Sofa und klatscht zweimal in die Hände. Li taucht in der Tür auf wie eine dunkelhäutige Prinzessin, die aus dem Nichts materialisiert. De Becque nickt ihr zu, und sie verschwindet wieder.
    »Werden Sie mich zu ihr bringen?«, frage ich de Becque. »Ich glaube nicht, dass sie am Leben ist, bevor ich sie nicht gesehen habe.«
    »Es gibt noch ein paar Dinge, die Sie vorher erfahren müssen.«
    »O Gott!«, flüstere ich, und vor meinem geistigen Auge erscheint das Bild von Thalia Laveau. »Sagen Sie mir nicht, Jane hätte Hirnschäden davongetragen oder ...«
    »Nein, nein. Doch sie hat traumatische Erlebnisse mit diesem Hoffman durchgemacht. Er war ein Mann mit ganz besonderen Vorlieben.«
    Jetzt verstehe ich, was meine Vorahnung von Janes Tod damals in Sarajewo zu bedeuten hatte: Sie ist vielleicht nicht physisch gestorben; vielleicht war das, was ich gespürt habe, der Tod ihrer Unschuld, der Mord an einem Teil ihres Geistes, was jede Vergewaltigung bedeutet.
    »Sie hat sich im Großen und Ganzen wieder erholt«, sagt de Becque, »doch sie ist in mancherlei Hinsicht noch zerbrechlich. Zuerst benötigte sie sehr viel Hilfe. Später dann wollte sie natürlich wieder nach Hause. Ich konnte es nicht zulassen. Aus rechtlichen Gründen, wie ich bereits erwähnte, aber auch, weil ich nicht wollte, dass der unbekannte Künstler aufhört, die ›Schlafenden Frauen‹ zu malen. Ich werde mich bei niemandem dafür entschuldigen außer bei Ihnen, und das möchte ich hiermit tun.«
    »Bitte bringen Sie mich zu ihr!«
    »Sie sind bereits auf dem Weg, ma chérie .«
    »Jordan«, sagt John mit leiser Stimme. »Lass dich nicht von diesem Burschen verschaukeln. Er ist ein ...«
    Er springt aus dem Sofa und bleibt mit aufgerissenem Mund stehen, als wäre er vom Donner gerührt.
    In der Tür am anderen Ende des großen Zimmers steht ein Spiegelbild der Frau, die er zu lieben behauptet. Jane trägt ein weißes Gewand wie das von Li, und die Franko-Vietnamesin steht hinter ihr wie eine Dienerin. Meine Hände beginnen zu zittern, meine Handflächen sind mit einem Mal feucht, und meine Blase fühlt sich voll und schwach an. Niemals zuvor in meinem Leben habe ich derartige Emotionen gespürt, und wie sollte ich auch? Ich habe niemals eine Wiederauferstehung erlebt.
    »Du verdammter Hundesohn!«, sagt John leise zu de Becque. »Wie lange hättest du sie noch festgehalten?«
    Jane kommt mir entgegen, die Wangen gerötet, die Augen glitzernd vor Tränen. Li folgt ihr dicht auf den Fersen, bereit, sie zu halten, wenn ihre Kräfte versagen. Jane ist schöner als jemals zuvor in ihrem Leben, vielleicht ein wenig dünner, doch mit einer Haltung und einem Selbstbewusstsein, das ich früher nie bei ihr gesehen habe. De Becques Stimme wird laut, als er mit John zu streiten beginnt, doch ich höre nicht, was die beiden Männer sich an den Kopf werfen. Nur das Blut, das in meinen Ohren pocht. Als Jane den Raum zur Hälfte durchquert hat, finde ich die Kraft, einen Schritt zu machen – und dann renne ich los. Als ich ihr entgegenfliege, geht mir ein flüchtiges Bild durch den Kopf: Ein großer Mann mit einer Kamera spaziert am Ufer des Mississippi entlang, zu beiden Seiten zwei kleine Mädchen. Eines hält seine Hand fest umklammert, das andere springt voraus, die Augen auf den Horizont gerichtet.
    Der Mann lebt längst nicht mehr, doch die Mädchen sind noch da.

29
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    E s ist Abenddämmerung, und das Haus in der St. Charles Avenue sieht genauso aus wie an jenem Tag vor dreizehn Monaten, als Jane es in ihrem Jogginganzug verlassen hat. Doch die Menschen in diesem Haus sind nicht mehr die gleichen. Das Licht scheint warm und gelb durch die Fenster und weckt bei nichts ahnenden Passanten den Eindruck eines idyllischen Lebens hinter dem schmiedeeisernen Geländer und der glänzenden Tür, doch dieser Eindruck trügt. Eine Frau hat mir einmal gesagt, dass ein gutes Zuhause ein Herz besitzt. Dieses Haus hatte einmal eines. Jetzt herrscht dort drinnen nur noch große Leere. Jane und
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