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Infernal: Thriller (German Edition)

Infernal: Thriller (German Edition)

Titel: Infernal: Thriller (German Edition)
Autoren: Greg Iles
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wieder, die zwölf Meter weiter vor einer massiven Eingangstür endet, fast wie bei Jane zu Hause in der St. Charles Avenue. Ich setze mich in Richtung Tür in Bewegung, doch nach zwei Dritteln des Weges geben meine Beine nach, und ich schlage der Länge nach auf die weißen Dielenbretter.
    In meinem Kopf breitet sich ein eigenartiger Nebel aus. Ich will auf dem warmen Holz liegen bleiben und mich von ihm umschlingen lassen, doch dann erhebt sich mitten aus dem Nebel ein so unauslöschliches Bild, dass mein Herz unter seinem Anprall zu hämmern beginnt: flache Gräber, elf Stück in einer Reihe, flache Hügel aus Dreck, die im Dunkel unter dem Haus vor sich hin rotten. Unter diesem Haus . Unter meinen Füßen warten die sterblichen Überreste von elf Frauen, deren Männer und Kinder und Eltern jede Nacht darum beten, endlich etwas über ihr Schicksal zu erfahren. Meine Schwester ist unter ihnen. Und es steht außer Frage, was sie von mir erwartet. Meine Aufgabe ist noch nicht erfüllt.
    Ich kämpfe mich auf die Knie und krieche die letzten Meter zur Tür, dann greife ich mit der Hand nach oben und drehe den Knauf.
    Er bewegt sich nicht.
    Ein paar noch immer aktive Hirnzellen malen hinter meinen geschlossenen Augen das Bild eines Fensters, doch ich habe keine Hoffnung mehr, es bis zu einem Fenster zu schaffen. Ich kann nicht mehr.
    »Bitte« , höre ich meine Stimme schluchzen, und erneut spüre ich Scham in mir, weil ich schon wieder bettele. »Geh auf . «
    Die Tür bleibt geschlossen. Ein erbärmliches Ende für ein einigermaßen anständig gelebtes Leben. Nackt. Allein. Verloren in einem weißen Nebel, der mich heimtückisch und lautlos einhüllt, der das Geräusch meines Schluchzens erstickt, dann das Rasseln meines Atems. Bald ist alles nur noch weiß.
    Während ich dem letzten Echo meines Atems nachlausche, durchzuckt ein unmenschliches Krachen mein schwindendes Bewusstsein wie eine Axt. Ein Hämmern wie von Trommeln, dann eine splitternde Kakophonie wie der zerbrechende Spiegel im Wintergarten. Schwarze, insektenartige Gestalten schwärmen über mich hinweg, und ihre metallischen Stimmen klingeln in meinen Ohren. Eine der Gestalten stellt mir mit weiten, ernsten Glotzaugen Fragen, doch ich kann ihre Worte nicht verstehen.
    Ein Schrei äußerster Verzweiflung durchschneidet die Luft, als wollte er nie wieder enden. Er trifft mein Herz wie pures Elend und verschmilzt mit dem Kummer, der so lange dort genagt hat. Meine Hände zucken hoch, und ich will mir die Ohren zuhalten, doch plötzlich verstummt der Schrei, als hätte jemand eine schalldichte Tür zugeschlagen. Die Glotzaugen über mir weiten sich, dann verschwinden sie, und ein menschliches Gesicht erscheint an ihrer Stelle.
    John Kaisers Gesicht.
    Er glaubt, dass ich tot bin. Ich sehe es an seinen Augen. Der Nebel hat mich inzwischen fast verschlungen. Ich muss ihm sagen, dass ich noch lebe. Wenn ich es nicht tue, begräbt er mich vielleicht. Tief in mir entfacht ein Funke. Ein einsamer stecknadelkopfgroßer Punkt in einem Meer aus Nebel. Und aus diesem Punkt kommt eine Stimme. Nicht die Stimme meines Vaters, sondern die einer Frau.
    Die Stimme meiner Schwester.
    Rede, Jordan! Sag etwas, verdammt!
    Zwei Silben dringen mit beinahe unheimlicher Klarheit über meine Lippen, und diese Silben lösen einen Schwall hektischer Aktivitäten aus. Das Wort, das ich sage, lautet Zucker . Sonst nichts. Dann klopfe ich auf mein Handgelenk. »Zucker!« , wiederhole ich und schlage auf das verdammte Infusionsloch wie ein Affe auf Amphetamin. »Zucker! Zucker! Zucker ...!«
    Ein weiß gekleideter Engel beugt sich über mich. »Ich glaube, sie möchte, dass wir ihren Glukosespiegel überprüfen.«
    Dann erlischt der Punkt, und Johns Gesicht verschwindet.

28
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    J ordan? Jordan?«
    Weißes Licht bohrt sich in meine Netzhäute, doch ich ertrage den Schmerz. Ich will keine Dunkelheit mehr. Alles, nur keine Dunkelheit.
    »Jordan? Wach auf!«
    Ein Schatten schwebt über mir und schirmt das Licht ab. Eine Hand. Nach einem Augenblick verschwindet die Hand, und ein Gesicht beugt sich über mich.
    Es ist Johns Gesicht. Sorgenfalten haben sich hineingegraben, und seine Augen sind rot vor Müdigkeit.
    »Erkennst du mich?«, fragt er.
    »Agent Kaiser, stimmt’s?«
    Die Sorgenfalten bleiben.
    »Ich hab dir doch gesagt, John, ich bin kein Porzellanpüppchen.«
    »Gott sei Dank.«
    »Was ist mit Wheaton?«
    Er schüttelt den Kopf. »Er kam schreiend in die Halle gestürmt, als du das
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