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Infernal: Thriller (German Edition)

Infernal: Thriller (German Edition)

Titel: Infernal: Thriller (German Edition)
Autoren: Greg Iles
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die Welt nimmt. Tod kann natürlich sein, doch ich habe ihn meist als eine Manifestation des Bösen erlebt. Und wie andere Profis, die dieses Gesicht des Todes sehen – Cops, Soldaten, Priester, Ärzte –, altern Kriegsberichterstatter schneller als normale Menschen. Die Jahre zeigen sich nicht unbedingt äußerlich, doch man spürt sie tief in sich, im Mark und im Herzen. Sie ziehen dich auf eine Weise runter, die nur wenige außerhalb unserer kleinen Bruderschaft begreifen. Ich sage Bruderschaft, weil es kaum Frauen in diesem Job gibt. Warum, ist unschwer zu erraten. Wie Dickey Chappelle, eine Frau, die Kriegsschauplätze vom Zweiten Weltkrieg bis Vietnam fotografierte, einmal gesagt hat: Das ist kein Ort für das Feminine.
    Und doch war es nichts von alldem, was mich aufhören ließ. Man kann über ein leichenübersätes Schlachtfeld gehen und auf ein kleines Kind stoßen, das auf seiner toten Mutter liegt, und spürt doch nicht einen Bruchteil dessen, was man spüren würde, wenn man jemanden verliert, den man liebt. Der Tod hat mein Leben mit nahezu unerträglichem Verlust interpunktiert, und ich hasse ihn dafür. Der Tod ist mein schlimmster Feind. Hybris, vielleicht – doch damit kann ich leben. Als mein Vater die Kamera auf den mörderischen Roten Khmer richtete, muss er gewusst haben, dass er sein Leben verwirkt hatte. Er hat das Foto trotzdem geschossen. Er ist nicht aus Kambodscha zurückgekehrt. Das Bild jedoch kehrte zurück, und es hat eine Menge dazu beigetragen, die öffentliche Meinung über diesen Krieg zu ändern. Mein ganzes Leben lang habe ich nach diesem Vorbild gelebt, nach dem ungeschriebenen Kodex meines Vaters. Deswegen war auch niemand stärker erschüttert als ich selbst, als der Tod erneut über meine Familie kam. Und diesmal ließ mich die Begegnung zerbrechen.
    Ich schleppte mich sieben Monate lang zur Arbeit und hatte zwischendurch einen kreativen Anfall, der mir den Pulitzer einbrachte, dann klappte ich auf einem Flughafen zusammen. Ich lag sechs Tage im Krankenhaus. Die Ärzte nannten es ein »posttraumatisches Stresssyndrom«. Ich fragte sie, ob sie für diese Diagnose eine Bezahlung erwarteten. Meine engsten Freunde – und mein Agent – sagten mir auf den Kopf zu, dass ich für eine Weile aufhören müsste zu arbeiten. Ich war der gleichen Meinung. Mein Problem war, ich wusste nicht wie. Setzen Sie mich an einen Strand in Tahiti, und im Geiste fotografiere ich, suche in den Augen von Passanten oder Kellnern nach dem Leben dahinter. Manchmal denke ich, dass ich selbst zur Kamera geworden bin, ein Instrument zur Aufzeichnung der Realität, und dass die komplizierten, teuren Apparate, die ich bei meiner Arbeit mit mir führe, nichts anderes sind als eine Verlängerung meines Verstandes und meiner Augen. Für mich gibt es kein Ausspannen. Solange ich die Augen offen habe, arbeite ich.
    Glücklicherweise bot sich dann doch noch eine Lösung an. Mehrere New Yorker Verleger waren seit Jahren hinter mir her – ich sollte endlich ein Buch machen. Alle wollten das Gleiche: meine Kriegsbilder. Als ich nach meinem Zusammenbruch mit dem Rücken zur Wand stand, ging ich einen Handel mit dem Teufel ein. Als Gegenleistung dafür, dass ein Lektor bei Viking eine Anthologie mit meinen Arbeiten über den Krieg zusammenstellen durfte, nahm ich einen doppelten Vorschuss entgegen. Einen für die Anthologie, einen für das Buch meiner Träume. Das Buch meiner Träume kommt ohne Menschen daher. Ohne Gesichter jedenfalls. Nicht ein einziges Paar betäubter oder gehetzter Augen. Der Arbeitstitel lautet »Wetter«.
    »Wetter« war es auch, was mich in jener Woche nach Hongkong führte. Ich war einige Monate zuvor dort gewesen, um den Monsun zu schießen, wie er über eine der am dichtesten besiedelten Städte der Welt rollt. Ich schoss den Victoria Harbour vom Peak und ich schoss den Peak von Central, und ich staunte über die verschiedenen Arten, wie Arme und Reiche Regenfälle ertrugen, die so stark und unerbittlich waren, dass manche »Langnase« in alkoholische Exzesse oder Schlimmeres getrieben worden wäre. Dieses Mal war Hongkong lediglich Zwischenstation auf dem Weg in das »richtige« China, auch wenn ich zwei Tage Aufenthalt eingeplant hatte, um meine Mappe über die Stadt zu vervollständigen. Doch am zweiten Tag fiel mein gesamtes Buchprojekt in sich zusammen. Es geschah ohne Vorwarnung und kam aus heiterem Himmel über mich. So wie alle wirklich wichtigen Dinge im Leben.
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