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Infantizid

Titel: Infantizid
Autoren: Matthias Grit; Hoffman Bode-Hoffmann
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nicht sehr groß, hatte eine schmächtige Figur und trug einen Oberlippenbart. Wahrscheinlich wurde er deshalb von Leuten, die ihn nicht kannten, abwertend behandelt. Aber er verfügte über einen messerscharfen Verstand. Fischer hatte ein Hobby: die Psyche der Täter. Wenn Weiterbildungen oder Kurse zu diesem Thema angeboten wurden, nahm Fischer daran teil. Er wollte mit diesem Hintergrundwissen die gefundenen Spuren besser deuten und analysieren können. Zweifellos war er bei komplizierten Fällen eine große Hilfe für die Ermittler.
    Der andere Techniker wurde nur ›Leichenkolbe‹ genannt. In Wirklichkeit hieß er Michael Kolbe, war 48 Jahre alt, hatte einen leichten Bauchansatz und war fast kahlköpfig. Leichenkolbe wurde immer gerufen, wenn es eine Leiche mit unnatürlicher Todesursache gab, ob durch Unfall, Suizid oder Fremdeinwirkung. Er machte diesen Job, seitdem er bei der Kriminalpolizei war. Dadurch hatte er einen unbezahlbaren Erfahrungsschatz auf diesem Gebiet und konnte aufgrund der Auffindesituation von Leichen meist schon nach kurzer Zeit den Tathergang rekonstruieren. So auch, als er in eine Wohnung gerufen wurde, in der ein nackter Mann mit einem Stromkabel um den Hals tot aufgefunden wurde. Er lag vor einer geschlossenen Tür. Bevor Leichenkolbe diese Tür öffnete, schaute er einfach durch das Schlüsselloch. Warum er das tat, konnte er nicht sagen, er tat es eben. Er sah an der gegenüberliegenden Wand ein überdimensionales Poster einer nackten Frau. Als er dieses Poster dann genauer untersuchte, fand er eine Vielzahl kleiner Löcher, die durch einen Dartpfeil verursacht worden waren, der in der Höhe ihrer Vagina steckte. Noch vor der Obduktion stand für Leichenkolbe fest, dass es sich hier um einen autoerotischen Unfall handelte. Der Mann hatte sich aufgegeilt, indem er Dartpfeile auf die Frau warf, die Tür schloss, durch das Schlüsselloch schaute und sich über den an einem elektrischen Kabel angeschlossenen Transformator Stromstöße verabreichte. Der letzte Stromstoß, den der Mann sich verpasste, war offensichtlich etwas zu hoch gewesen. Die Obduktion und die Ermittlungen im Umfeld des Mannes bestätigten später Leichenkolbes Theorie.
    Seine Marotte war das Zählen von Leichen, zu denen er gerufen wurde. Die wichtigsten Daten vermerkte er in einem speziellen Buch. Die aktuellen Toten waren Nummer 2150 und 2151 in fast 20 Dienstjahren bei der Kriminalpolizei. Er lebte nur für die Arbeit, für nichts anderes. Deswegen waren bereits zwei Ehen gescheitert und er hatte es aufgegeben, sich noch einmal fest zu binden.
    Â»Verdammtes Sauwetter«, hörte Hauptkommissar Bräunig hinter sich jemanden fluchen. Er brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, wer da kam. Es gab nur einen, der so fluchen konnte: Oberkommissar Jürgen Hubaczek, 33 Jahre alt, ledig, gut aussehend, blond und immer adrett gekleidet. Der Wortschatz seiner Flüche war schier unbegrenzt. Er hasste schlechtes Wetter, Fliegen und Mücken, Hundescheiße, verwahrloste Wohnungen, eben alles, was Dreck verursachte. Aber er war ein ausgezeichneter Ermittler, der nie locker ließ. Er fasste es als persönliche Niederlage auf, wenn ein Tötungsdelikt nicht aufgeklärt wurde. Und wenn es doch mal passierte, vergaß er den Fall niemals, vor allem die Details dazu nicht. Der Mann hatte ein unglaubliches Gedächtnis. Zahlen und Personen konnte er sich wie kein anderer merken.
    Â»Grüß Gott, Genossen!« Oberkommissar Kratzenstein war eingetroffen. Er war ein Jahr jünger als sein Freund Hubaczek. Die beiden gingen fast seit ihrer Geburt gemeinsam durch das Leben. Sie waren in derselben Stadt aufgewachsen, hatten die gleiche Schule besucht, hatten die gleichen Interessen und auch mal das eine oder andere Mädchen, nacheinander, versteht sich. Irgendwann hatten sie beschlossen, gemeinsam zur Polizei zu gehen. Sie schafften es immer wieder zusammenzubleiben, ob in der Ausbildungsklasse oder auf Lehrgängen. Die beiden machten innerhalb der Polizei alles, unter der Voraussetzung, dass sie es gemeinsam tun durften. Das war natürlich auch so, als Bräunig sie zur Mordkommission holte. Und das tat er nur, weil sie die Besten waren. Kratzenstein kümmerte sein äußeres Erscheinungsbild herzlich wenig, das Wichtigste für ihn waren seine Arbeit, seine Freundschaft zu Hubaczek und seine Kumpels. Er war
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