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Infam

Infam

Titel: Infam
Autoren: K Ablow
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du es nicht mal aus?«
    Er schenkte mir ein müdes Lächeln.
    Ich zwinkerte ihm zu, deutete mit einem Nicken auf Julia, stand auf und stellte mich wieder zu ihr.
    Diesmal sah sie mich kommen, und ihr Gesichtsausdruck warnte mich, Abstand zu halten.
    Einige Schritte vor ihr blieb ich stehen, hob einen Finger und hauchte stumm: »Tut mir Leid.« Ihre Züge entspannten sich ein wenig. »Vergiss die Krankenunterlagen«, flüsterte ich. »Und auch den Brief. Ich werde sie nie wieder erwähnen. Wir ziehen einen Strich unter die Vergangenheit.«
    Sie sah mir durchdringend in die Augen, um sich zu vergewissern, ob ich es ernst meinte, dann nickte sie zaudernd.
    Ich machte einen Schritt auf sie zu, ergriff sanft ihre Hand und beugte mich vor. »Komm nachher zum Gästehaus«, flüsterte ich ihr ins Ohr.
    Sie sah verlegen zur Frühstücksnische.
    »Ich konnte letzte Nacht nicht schlafen«, flüsterte ich noch leiser. »Ich konnte nicht aufhören, daran zu denken, wie stark mein Verlangen nach dir war.«
    Sie errötete. »Hör auf damit«, sagte sie und kaute verführerisch an ihrer Unterlippe.
    »Ich warte im Gästehaus«, erklärte ich und drehte mich um.
    Candace lächelte mir viel sagend zu.
    »Ich mache einen kurzen Spaziergang«, sagte ich und sah dabei Billy und Garret an. »Will jemand mitkommen?«
    Billy starrte auf seinen Teller.
    Garret stand auf. »Klar«, sagte er.
    »Ich seh euch alle dann später«, rief ich und ging mit ihm hinaus.
    Garret und ich waren noch keine zehn Meter vom Haus entfernt, als sein Leibwächter Pete hinter uns auftauchte. Das war ungewöhnlich. Er und Garret waren inzwischen nachlässig geworden und befanden sich selten zusammen auf dem Grundstück. Ich drehte mich um. »Wir kommen schon allein zurecht«, rief ich Pete zu.
    Wir folgten einem Pfad, der sich etwa zweihundert Meter Richtung Meer schlängelte und dann eine Kehrtwendung machte, sodass er eine Ellipse formte, deren einen Scheitelpunkt Candaces Haus und den anderen der Horizont bildete. »Deiner Mom scheint es heute Morgen etwas besser zu gehen«, bemerkte ich.
    »Es ist so, wie ich Ihnen gesagt habe«, erwiderte er. »Sie stellt Sie auf die Probe.«
    »Ich habe darüber nachgedacht«, sagte ich.
    »Und was haben Sie sich gedacht?«
    »Vielleicht werde ich in mehr als einer Hinsicht auf die Probe gestellt. Diese ganze Sache mit Billy – der Ärger mit den Sandersons und die Sache mit der Katze – könnte ebenfalls ein Test sein. Um herauszufinden, ob ich zu ihm halte, zur gesamten Familie.«
    »Möglich«, pflichtete Garret bei.
    »Deshalb denke ich, ich sollte meine Rolle hier definieren.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Ich finde, wir sollten eine richtige Familie sein«, erklärte ich und beobachtete seine Reaktion. »Auf diese Weise kann Billy mich als einen richtigen Vater betrachten. Er könnte auf mich zählen. Du auch.«
    Garret blieb stehen und starrte mich an.
    Wir waren noch immer kaum mehr als einen Steinwurf vom Haus entfernt. Ich spannte meine Falle. »Ich werde deine Mom bitten, mich zu heiraten«, sagte ich.
    »Wow«, entfuhr es ihm. Er schaute verwirrt drein. »Wow«, wiederholte er.
    »Wie würde dir das gefallen?«, fragte ich.
    »Das wäre toll«, antwortete er. Er klang, als würde er es ernst meinen.
    »Mir ist klar, dass das für alle Beteiligten etwas gewöhnungsbedürftig ist«, sagte ich. »Ich habe noch nicht einmal mit deiner Mutter darüber gesprochen. Aber irgendwie ist mir plötzlich klar geworden, dass es das Richtige ist.« Ich blickte zum Ozean, der sich wie eine blaugrüne Decke unter dem sonnengetränkten Horizont ausbreitete. »Ich muss gestehen, Garret, dass ich noch nie für jemanden das empfunden habe, was ich für sie empfinde. Wenn ich mit ihr zusammen bin, fühle ich mich vollkommen. Und wenn ich es nicht bin, sehne ich mich nach ihr.« Ich sah ihn wieder an. »Hast du je so empfunden?«
    »Ich weiß nicht«, sagte er. »Vielleicht.«
    »Dann hast du es nicht. Ansonsten würdest du es wissen. Es ist das schönste Gefühl der Welt.«
    Er nickte.
    »Du gehst in ein paar Wochen nach Yale?«, meinte ich. »Glaub mir, da wird es mehr als eine Studentin geben, die dir den Kopf verdreht. Ich hoffe, eine davon weckt in dir dieselben Gefühle, die deine Mom in mir weckt.«
    »Wir werden sehen«, erwiderte er.
    »Und es gibt noch einen weiteren Grund, weshalb wir es offiziell machen sollten: Ich fühle mich unwohl dabei – na ja, du verstehst schon –, ein Zimmer mit deiner Mutter zu teilen, bis wir
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