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Infam

Infam

Titel: Infam
Autoren: K Ablow
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Bettgestell und der Matratze steckte, ein Überbleibsel aus jener Zeit, als ich noch Mörder gejagt hatte. Ich lag reglos da. Ich war schon beinahe sicher, die Schritte des Eindringlings zu hören, als die Klingel zweimal laut und nachdrücklich schrillte und mich vage daran erinnerte, dass ich dasselbe Geräusch im Schlaf gehört hatte. Mir ging auf, dass mich wahrscheinlich eher eine Federal-Express-Lieferung denn ein Anschlag auf mein Leben geweckt hatte.
    »Schick sie wieder weg«, sagte Justine noch immer halb schlafend.
    Ich stand auf, ging zur Tür und drückte den Knopf der Gegensprechanlage. »Wenn es ein Paket ist und nicht tickt, legen Sie’s einfach vor die Tür«, sagte ich.
    »Ich bin’s, North.«
    Ich starrte auf die Gegensprechanlage. Ich hatte geglaubt, ich hätte mehr Abstand von meiner Vergangenheit gewonnen. Ich hätte es besser wissen sollen. Alles, vor dem man wegläuft, taucht irgendwann vor einem auf, normalerweise eher früher als später.
    »Frank?«
    »Ich bin gleich unten«, sagte ich.
    »Wer ist es?«, fragte Justine.
    »Ein alter Freund«, erklärte ich, während ich meine Jeans und einen schwarzen Rollkragenpullover anzog.
    Sie setzte sich auf und zog die Bettdecke um ihre Schultern. »So früh?«
    Ich stieg in meine Stiefel. »Er braucht einen Rat.«
    Sie schwang ihre Beine über die Bettkante und stand auf. Sie war nackt. Sie griff nach ihren Kleidern, die noch immer achtlos über dem Ledersessel lagen.
    Ich stand da und betrachtete sie.
    »Was?«, fragte sie, als sie bemerkte, dass ich sie anstarrte. Sie zog ihre Hose an, doch nichts darunter.
    »Du bist wunderschön.«
    »Dein Freund wartet«, sagte sie in gespielter Verärgerung, während sie ihr Oberteil anzog. »Hast du etwas zu essen im Haus? Eier, Speck? Ich könnte uns Frühstück machen.«
    »Pop-Tarts, wenn noch welche übrig sind.« Ich wollte, dass sie blieb. »Ein Stück die Straße hinauf ist ein 7-Eleven. Ich bin in einer halben Stunde wieder da und bringe alles mit, was wir brauchen.«
    »Nein, ich gehe. Dann ist alles fertig, wenn du mit deinem Freund geredet hast.«
    »Bestens.«
    Wir fuhren mit dem Fahrstuhl in die Eingangshalle hinunter und traten auf die Straße.
    North Anderson stand in einer schwarzen Jeans und einem schwarzen T-Shirt auf dem Bürgersteig vor dem Haus. Er hatte sich in den zwei Jahren so gut wie nicht verändert. Seine Schultern, Brustkorb und Arme waren noch immer muskelbepackt vom Gewichtheben. Außerdem hatte er noch immer die Angewohnheit, mit gespreizten Beinen und hinter dem Rücken verschränkten Händen dazustehen, als wäre er mit Handschellen gefesselt. Die einzige Veränderung an ihm war eine fast zehn Zentimeter lange, unregelmäßige rosa Narbe über dem rechten Auge. Bei einem Weißen wäre sie wahrscheinlich weniger aufgefallen, im Kontrast zu Andersons schwarzer Haut war sie jedoch unübersehbar.
    »Eifersüchtiger Ehemann?«, fragte ich und fuhr mit meinem Finger auf meiner eigenen Stirn entlang.
    Er nickte Justine kurz zu, ehe er mich wieder ansah. »So interessant ist mein Leben nicht. Nur ein kleiner Autodieb. Kurz bevor ich Baltimore verlassen habe.«
    »Hübsches Souvenir.« Ich streckte ihm die Hand entgegen, die er schüttelte. Dann umarmten wir uns und hielten einander lange genug fest, um dem Respekt zu zollen, was wir gemeinsam durchgemacht hatten. »Das ist Justine«, stellte ich vor, als wir uns voneinander lösten.
    »Freut mich«, sagte er.
    »Mich auch«, erwiderte Justine. Sie meisterte die Situation spielend. »Ich bin auf dem Weg zum Supermarkt. Sehe ich Sie später noch?«, fragte sie ihn.
    »Wohl nicht bei diesem Besuch«, antwortete Anderson.
    »Dann eben nächstes Mal.« Sie lächelte und ging davon.
    Er sah ihr nach. »Ich hätte wissen müssen, dass du nicht allein bist. Manche Dinge ändern sich einfach nie.«
    »Was hältst du von einem Kaffee?«, fragte ich. »Ein Stück weiter ist ein Café.«
    »Dann lass uns gehen.«
    Wir gingen die Winnisimmet entlang Richtung Fitzgerald-Werft, ein asphaltiertes Werksgelände mit einer Reihe von Reparaturdocks, wo Peter Fitzgerald Wunder an angeschlagenen Fähren und Küstenwachbooten vollbrachte. Ich bemerkte, dass Andersons Hinken – das Ergebnis zweier Kugeln von ein paar Möchtegern-Bankräubern vor einigen Jahren – ausgeprägter war als in meiner Erinnerung. Er schwang sein rechtes Bein beim Gehen leicht nach außen. Angesichts dieser Angewohnheit und seiner neuen Narbe war ich froh, dass er Baltimore
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