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Industriepampe: Wie die Kunstprodukte unser Körpergefühl blenden (Ernährungs- und Bewegungsbibliothek)

Industriepampe: Wie die Kunstprodukte unser Körpergefühl blenden (Ernährungs- und Bewegungsbibliothek)

Titel: Industriepampe: Wie die Kunstprodukte unser Körpergefühl blenden (Ernährungs- und Bewegungsbibliothek)
Autoren: Dr. Anja Dostert
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gewinnen. Man kann z.B. den Gesundheitszustand ganzer Nationen mit den Konsumgewohnheiten vergleichen. Dies hat man in den Sechziger-Jahren gemacht und herausgefunden, dass die Menschen in den Mittelmeerländern weniger häufig unter Herz-Kreislauf-Erkrankungen litten. Dies hätte am Wetter, an der guten Luft, am Sonnenschein oder an den Lebensgewohnheiten der Menschen liegen können. Man beschloss, dass es die Ernährung sein musste, die den Effekt auf die Gesundheit bewirkt hat. Das wichtigste Argument der mediterranen Ernährung war gefunden. Heute kämpfen die Menschen in den Mittelmeerländern mit den gleichen gesundheitlichen Problemen wie die anderen Europäer. Warum? Damals wurden viele körperlich hart arbeitende Menschen untersucht, diese gehen heute anderen Tätigkeiten nach und nehmen an Gewicht zu. Findet man also besonders gesunde Menschen in einer Region oder einem Land, kann das Essen dafür verantwortlich sein - oder die Luft, die Lebens- und Arbeitsgewohnheiten, die medizinische Versorgung, ... die Liste ist schier endlos. Auch der Zufall könnte verantwortlich sein!
    Die Empfehlungen für den täglichen Vitamin- und Mineralstoffbedarf werden von Experten am runden Tisch getroffen. Wie soll man die optimale Menge herausfinden? In einem Menschenexperiment? Aus ethischen Gründen unmöglich.
    Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, dass in diesem Buch oft Ergebnisse mit Ratten oder Mäusen zitiert wurden. Studienergebnisse zur menschlichen Ernährung sind praktisch immer mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit fehlerbehaftet. Man kann die Ernährung einer Ratte kontrollieren, die des Menschen nicht oder nur mit hohem Aufwand. Selbst das Ausfüllen eines Ernährungstagebuchs bringt die Wissenschaftler nur begrenzt weiter: Beim Aufschreiben mogeln die meisten Menschen! Man will ja nicht als eine verfressene Person dastehen, da wird die Portion im Tagebuch verkleinert, bis der Eintrag akzeptabel aussieht. Aus der Flasche Rotwein vom Vorabend werden zwei Gläser, nicht dass man noch als Alkoholiker dargestellt wird! Das Kaffeestückchen hat der Studienteilnehmer vorsorglich vergessen. Beim Gewicht schummeln die Menschen ebenfalls, je nach Ausgangssituation wiegen sie bei der Befragung zwei bis fünf Kilogramm weniger als noch am Morgen. Menschen neigen dazu, in Erhebungen ihre Antworten in die Richtung zu biegen, von der sie glauben, dass sie der gesellschaftlichen Erwartung entspricht.

Den Kunden immer eine Nasenlänge voraus
    Bei der Produktentwicklung in der Nahrungsmittelindustrie könnte man von einer Art Evolution sprechen. Produkte „überleben“, wenn sie gut verkauft werden und gute Gewinne bringen. Ein neues Lebensmittel ist in der Regel innerhalb eines Jahres entwickelt. Die Lebensmitteltechnologen der Industrie kennen den Geschmack der Menschen sehr gut, sie wissen genau, wie sie uns verführen können und sind trotzdem flexibel genug, um auf Trends und neue Wünsche der Kunden (Bubble Tea) zu reagieren.
    Neuentwicklungen werden vor der Einführung von Probanden der Marktforschungsinstitute getestet. Alles wird geprüft: Was Menschen von dem neuen Produkt erwarten, wie es auf sie wirkt und wie es ihnen schmeckt. Werbeagenturen sind spezialisiert darauf, die verschiedenen Zielgruppen optimal anzusprechen. Sie wissen, mit welchen Emotionen sie welches Produkt verknüpfen müssen, damit wir kaufen. Große Unternehmen testen ihre Produkte zunächst ein Jahr lang in Deutschlands Testdorf Haßloch: Dort wird das Produkt in den lokalen Supermärkten angeboten und zusätzlich beworben. Die Gesellschaft für Konsumforschung sammelt die Daten aus dem Testdorf und prüft im Auftrag der Unternehmen, wie gut sich das Testprodukt verkauft. Es ist den Unternehmen insbesondere wichtig, dass das Lebensmittel nicht nur einmal, sondern immer wieder im Einkaufswagen landet. Ist dies gegeben, wird ein Produkt bundesweit verkauft und aggressiv beworben.
    Die Industrie kann anhand der Gewinne schwarz auf weiß ablesen, wie erfolgreich ein Produkt darin ist, die Menschen zu verführen. Aus den Jahresberichten der Nahrungsmittelkonzerne könnte man mehr Informationen extrahieren als aus vielen ernährungswissenschaftlichen Studien. Im Supermarkt kann man bereits abends an der Kasse ablesen, welche Lebensmittel beliebt sind. Die Industrie ist der Forschung und den Ernährungsberatern immer um Längen voraus.
    Es ist schwierig, sich dagegen zu wehren, denn es werden zahlreiche Mechanismen ausgenutzt: Das Produkt wird uns in
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