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Incognita

Incognita

Titel: Incognita
Autoren: Boris von Smercek
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absolut ungewöhnlich. Daher schließe ich nicht aus, dass dem Computer beim Teleportieren irgendwelche Fehler unterlaufen sind, die wir noch nicht begreifen.«
    John seufzte. Würde Gordon es jemals schaffen, das Multiversum wieder ins Lot zu bringen? Es in den Ursprungszustand zurückzuversetzen? Er fragte gar nicht danach, denn er ahnte die Antwort: Niemand konnte das, zumindest nicht zum momentanen Zeitpunkt, weder Gordon noch sonst jemand aus seinem zweihundertköpfigen Team. Ungewollt hatte er ein irreversibles Chaos angerichtet.
    Aber das waren nicht länger Johns Sorgen. Er würde in wenigen Minuten wieder in seiner alten Welt sein – oder bei dem Versuch, dorthin zu gelangen, sterben. Auf jeden Fall würden ihn die Probleme dieser Welt nicht länger betreffen.
    Er malte sich aus, was ihn zu Hause erwartete. Gewiss – auch dort gab es Probleme, nicht immer lief alles so, wie John es sich vorstellte. Aber wenigstens existierten die Eckpfeiler seines Lebens noch: Laura war an seiner Seite, und er hatte noch immer den Posten als Vorsitzender der McNeill Group. John nahm sich vor, diese einfachen, für ihn früher allzu selbstverständlichen Dinge künftig mehr zu würdigen.
    Mit dem Aufzug fuhren sie ein Stockwerk tiefer, wo sie den schmalen, neonlichtbeschienenen Gang passierten. Auch der scharfe Geruch von Desinfektionsmitteln fehlte heute nicht. Alles war wie beim ersten Mal. Sie folgten dem Gang nach links. Gordon betätigte einen Türsummer, und sie betraten das Labor.
    Drinnen herrschte geschäftige Betriebsamkeit. Gordons Wissenschaftler arbeiteten mit akribischer Genauigkeit ihre Checklisten ab, die meisten von ihnen waren so vertieft darin, dass sie die Neuankömmlinge gar nicht bemerkten.
    John folgte seinem Freund in die schalldichte Kabine aus verdunkeltem Glas, wo sich die Zeitmaschine befand. Besser gesagt der Multiversum-Teleporter oder wie auch immer man dieses Ding nennen wollte. Wie ein überdimensionaler Computertomograph thronte es in dem dämmrigen Zimmer. Der Anblick des Gerätes löste in John zwiespältige Reaktionen aus. Einerseits war Gordons Erfindung ein Meilenstein der modernen Technik – allein für den Nachweis des Multiversums hatte er den Nobelpreis verdient. Andererseits barg seine Technologie noch eine Vielzahl nicht abzuschätzender Risiken. Bis diese kalkulierbar waren und Gordons Team einen Weg gefunden hatte, sie auf ein Minimum zu reduzieren, konnten noch Jahre, vielleicht Jahrzehnte vergehen.
    Doktor Rawlings kam im weißen Kittel in die Kabine, um John für den Raum-Zeit-Sprung zu präparieren. Er verkabelte ihn mit Elektroden, führten einen Computercheck durch und bat ihn, sich auf den gepolsterten Schlitten vor der Öffnung der zylindrischen Röhre zu legen. Wie beim ersten Mal stach er John auch eine Kanüle in den Arm. Der Schlauch, den er daran anschloss, verschwand irgendwo im Innern der Apparatur.
    »Wie fühlen Sie sich?«, fragte Rawlings mit Blick auf den Monitor, der Johns Körperwerte anzeigte.
    »Ganz gut«, log John.
    »Ihr Puls ist beschleunigt und ihr Blutdruck erhöht. Sind Sie nervöser als beim letzten Mal?«
    »Wären Sie das an meiner Stelle nicht? In ein paar Minuten könnte ich tot sein.« Er nahm einen tiefen Atemzug. Bei seiner ersten Reise war sein Vertrauen in die Technik größer.
    »Du wirst heute nicht sterben«, sagte Gordon, der im Zimmer geblieben war und beobachtete, wie John von Doktor Rawlings für die Teleportierung vorbereitet wurde. »Entspann dich. In ein paar Minuten bist du wieder in deiner Welt.«
    Doch dann tat Doktor Rawlings etwas, das ganz und gar nicht zu Johns Entspannung beitrug: Er schnallte ihn auf dem Schlitten fest – nicht nur den mit der Kanüle versehenen Arm, sondern beide Arme und beide Beine.
    »Ist das nötig?«, fragte John. »Bei der ersten Reise konnte ich mich wenigstens noch ein kleines bisschen bewegen. Aber jetzt …« Er zerrte an seinen Klettverschlüssen, um zu demonstrieren, wie hilflos er war.
    »Eine reine Vorsichtsmaßnahme«, erklärte Gordon. »Wir glauben, dass die Schwierigkeiten, die bei deiner Südamerika-Reise auftraten, darauf zurückzuführen sind, dass du dich während der Teleportierung zu stark bewegt hast. Die Maschine konnte deine Körperkoordinaten nicht richtig verarbeiten – ein Fehler, der sich dann bei jedem weiteren Etappensprung potenziert hat. Deshalb die Schnallen. Sie sollen dich davor bewahren, dass noch einmal ein Malheur passiert.«
    John missfiel die
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