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Incognita

Incognita

Titel: Incognita
Autoren: Boris von Smercek
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Nüstern der Bestie blähten sich. Sie riss das Maul auf und brüllte so laut, dass John es trotz Schallisolation hören konnte. Er wusste: Der Dämon hatte sein letztes Opfer gefunden.
    Ihn!
    Hektisch zerrte er an seinen Manschetten, doch sie gaben keinen Millimeter nach. Er fühlte sich wie auf einem Opferaltar. Die Bestie kam immer näher, schon war sie an der Kabinentür. Mit ihren Pranken schlug sie dagegen – Gott sei Dank ohne etwas damit zu bewirken.
    Die Kreatur änderte ihre Taktik. Sie bohrte ihre Krallen in den hauchdünnen Schlitz zwischen den beiden Türhälften und drückte sie gewaltsam auseinander, Zentimeter für Zentimeter. John begann zu schreien, hysterisch und heiser. Wenn er sich wenigstens hätte bewegen können! Nichts war schlimmer, als wehrlos auf den sicheren Tod zu warten.
    Plötzlich erkannte er eine Gestalt, irgendwo hinter der Bestie. John traute seinen Augen kaum: Es war Gordon. Sichtlich benommen, zog er sich an einem Labortisch hoch. Mit zitternden Knien und blutüberströmtem Gesicht wankte er zur Schaltkonsole in der Mitte des Labors. Das Biest nahm von ihm keine Notiz. Erst, als er begann, Knöpfe zu drücken und Johns Liegeschlitten in Bewegung zu setzen, fuhr es herum.
    Erneut stieß es ein infernalisches Gebrüll aus. Durch den offenen Türspalt klang es diesmal viel lauter und gefährlicher. John spürte, wie sich seine Nackenhaare sträubten. Das Letzte, was er von Gordon wahrnahm, bevor die Kreatur sich auf ihn stürzte, war ein Daumen-nach-oben-Zeichen. Er wusste, was das zu bedeuten hatte: Gordon hatte den Teleporter aktiviert. Mit etwas Glück war er in wenigen Sekunden in Sicherheit.
    Doch die Bestie gab nicht auf. Schon war sie wieder an der Tür. Keifend und fauchend zerrte sie an den dicken Glasflügeln, während Johns Schlitten unerträglich langsam in den Zylinder fuhr. Als der Schlitten mit einem leichten Ruck in der richtigen Position einrastete, hatte das Biest die Tür bereits so weit geöffnet, dass eine komplette Pranke hindurchpasste.
    Mach schon!, flehte John die Maschine an. Schneller, verdammt noch mal! Schneller!
    Er erinnerte sich daran, dass das Teleportieren nur dann einwandfrei funktionierte, wenn er sich nicht bewegte. Also ließ er den Kopf zurücksinken und versuchte, den Uracai aus seinen Gedanken zu verbannen.
    Die Röhre begann zu vibrieren. Dann erklang der vertraute Didgeridoo-Klang, der rasch zu einem lauten Dröhnen anschwoll und die Geräusche der Kreatur nun völlig übertönte.
    Gleich hast du es geschafft, dachte John. Nur noch ein paar Sekunden …
    Die Farbe der Röhre veränderte sich von Chromfarben zu weiß. Es wurde deutlich wärmer, und Lichtblitze zuckten von allen Seiten von der Zylinderwand herab. John spürte ein angenehmes Prickeln auf der Haut und versuchte, sich weiter zu entspannen. Doch dann spürte er plötzlich eine Berührung an seinen Füßen und wusste, dass der Uracai beiihm war.
    Vater unser im Himmel …
    Weiter kam er nicht, denn in diesem Moment verschwamm sein Gesichtsfeld zu einer einzigen grellgelben Explosion.

Kapitel 27
    »Nehmt ihm die Elektroden ab! Und öffnet die Manschetten!«
    Die Stimme klang verzerrt und gedämpft, als dringe sie aus großer Entfernung zu ihm vor.
    »Macht schon! Und gebt ihm eine Dosis Adrenalin, damit er wieder auf die Beine kommt.«
    John fühlte sich unendlich müde. Er spürte Berührungen an seinem Körper, Hände machten sich an ihm zu schaffen. Er ließ es willenlos geschehen, die Lider fest geschlossen.
    »Mehr Adrenalin!«, forderte die Stimme. Dann: »Okay, ich denke, das ist genug.«
    Er spürte, wie sich eine kühle Flüssigkeit in seinem linken Arm ausbreitete. Gleich darauf verflog die Müdigkeit, und seine Lebensgeister kehrten zurück. Er schlug die Augen auf, stellte fest, dass er wieder auf dem Schlitten des Teleporters lag, diesmal aber offensichtlich in seiner alten Welt. Um ihn herum sah er lauter bekannte Gesichter: Menschen, die er vor wenigen Sekunden hatte sterben sehen.
    »Willkommen zu Hause!« Gordon beugte sich zu ihm herab und reichte ihm eine Hand. John richtete sich auf, setzte die Füße vorsichtig auf dem Boden ab. Tiefe Dankbarkeit erfüllte ihn – er schien die Katastrophe unbeschadet überstanden zu haben. Vor allem hatte er den Dämon abgehängt, alles andere war im Moment zweitrangig.
    »Leg deinen Arm um meinen Hals«, forderte Gordon ihn auf. »Komm schon, ich bringe dich in die Küche. Dort bekommst du den besten Kaffee, den du dir
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