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In Zeiten der Flut

In Zeiten der Flut

Titel: In Zeiten der Flut
Autoren: Michael Swanwick
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eine Marionette auf, plötzlich ganz bei der Sache. »Wenn es Ihnen recht ist, Sir, würde ich zunächst gern erfahren, wieviel Sie über Gregorian wissen, welche Anhaltspunkte Sie haben und so weiter. Dann werde ich meinerseits Bericht erstatten.«
    »Vor allem ist er ausgesprochen charmant«, sagte der Bürokrat. »Das meint jeder, mit dem ich gesprochen habe. Ein eingeborener Mirandaner von irgendwo aus dem Tideland. Seine Herkunft liegt ziemlich im dunkeln. Einige Jahre war er in den biowissenschaftlichen Labors des Äußeren Kreises beschäftigt. Hat meines Wissens gute Arbeit geleistet, aber nichts Außergewöhnliches. Vor etwa einem Monat hat er dann gekündigt und ist nach Miranda zurückgekehrt. Soviel ich weiß, ließ er sich als eine Art Buschzauberer nieder. Als eine Art Medizinmann oder so, darüber wissen Sie bestimmt mehr als ich. Kurz nach seinem Weggang stellte man allerdings fest, daß er möglicherweise wichtige verbotene Technik entwendet hat. Daraufhin wurde die Behörde für Techniktransfer eingeschaltet.«
    »Das müßte eigentlich ausgeschlossen sein.« Chu lächelte spöttisch. »Es heißt, das Embargo von Techtransfer sei nicht zu umgehen.«
    »Sowas kommt vor.«
    »Was wurde gestohlen?«
    »Tut mir leid.«
    »Ach, so wichtig also?« Chu schnalzte nachdenklich mit der Zunge. »Und was wissen Sie sonst noch über ihn?«
    »Erstaunlich wenig. Wir kennen natürlich sein Aussehen, wir haben seinen genetischen Fingerabdruck, die üblichen Persönlichkeitsprofile. Interviews mit einigen Bekannten. Anscheinend hat er keine echten Freunde und redet nie über seine Vergangenheit. Im Rückblick scheint klar, daß er seine Akte möglichst sauber halten wollte. Er muß das Verbrechen seit Jahren geplant haben.«
    »Haben Sie ein Dossier über ihn?«
    »Eine Kopie von Gregorians Dossier«, sagte der Bürokrat. Er öffnete die Aktentasche, holte das Dossier heraus und schüttelte es ein wenig.
    Chu verrenkte sich vor Neugier fast den Hals. »Was haben Sie denn sonst noch da drin?«
    »Nichts«, meinte der Bürokrat. Zum Beweis, daß die Aktentasche leer war, drehte er sie herum, dann reichte er Chu das Dossier. Es war in dem weißen Lotosformat gedruckt, das auf den hohen Welten im Moment gerade beliebt war, und auf Taschentuchgröße zusammengefaltet.
    »Danke.« Chu hielt das Dossier über den Kopf und schwenkte die Hand. Das Papierquadrat verschwand. Zum Beweis, daß seine Hand leer war, drehte er sie wiederholt um.
    Der Bürokrat lächelte. »Machen Sie das noch einmal.«
    »Oh, die erste Zauberregel lautet, man soll denselben Trick nie zweimal in Folge vorführen. Das Publikum weiß dann nämlich, worauf es zu achten hat.« Seine Augen glitzerten unverschämt. »Dürfte ich Ihnen noch etwas anderes zeigen?«
    »Ist es wichtig?«
    Chu zuckte die Achseln. »Jedenfalls ist es lehrreich.«
    »Machen Sie nur«, sagte der Bürokrat. »Wenn es nicht zu lange dauert.«
    Chu öffnete einen Käfig und holte einen Regenvogel heraus. »Danke.« Mit einer Handbewegung dimmte er die Fenster, bis der Salon im Halbdunkel lag. »Ich beginne meine Vorstellung mit folgendem Kunststück.«
    Er verneigte sich tief und vollführte eine schwungvolle Gebärde. Seine Bewegungen waren ruckartig, entschieden, künstlich. »Willkommen, liebe Freunde, Landsleute und Außenweltler. Es ist meine Aufgabe, Sie heute mit Taschenspielertricks und wissenschaftlichen Mätzchen zu unterhalten und zu erfreuen.« Er zwinkerte vielsagend. »Dann lasse ich mich ein wenig über die Mutationsfreudigkeit des hiesigen Lebens und die zahllosen Formen der Anpassung an die Große Flut aus. Während die terranische Flora und Fauna - wir selber ausdrücklich eingeschlossen - der Rückkehr des Meeres nicht zu trotzen vermögen, stellt sie für die einheimischen Lebensformen lediglich ein vorübergehendes und wiederkehrendes Ereignis dar. Die Evolution, die endlosen Äonen der periodischen Überflutung ... bla, bla, bla. Hin und wieder vergleiche ich die Natur mit einem Magier - womit ich natürlich auf mich selbst anspiele -, der die Veränderungen mit einer Handvoll Zaubertricks bewirkt. Was zu der Bemerkung überleitet, daß ein großer Teil der einheimischen Fauna dimorph ist, was lediglich bedeutet, daß sie in zwei unterschiedlichen Formen auftritt, je nachdem, welche Jahreszeit gerade herrscht.
    Dann demonstriere ich es.« Er streichelte sanft den Kopf des Regenvogels, der auf seinem Zeigefinger saß. Die langen Schwanzfedern hingen wie
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