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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Autoren: Robert Merle
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ich, mein Pierre?«
    Ich willigte ein, worauf sie aus ihrer Geldbörse eine kleine silberne Schere nahm und mir befahl, den Kopf zu senken. Nachdem sie meinem Schopf die kleine Beute entnommen und sie samt Schere in ihrer Börse hatte verschwinden lassen, sprach ich mit einem Lächeln, das meine Erregung verhehlen sollte:
    »Ihr habt nicht große Ernte gehalten, drum werde ich auch nicht meine Kraft einbüßen …«
    Sie machte große Augen, und zumal sie, wie es schien, gern noch ein bißchen verweilen wollte, erzählte ich ihr die Geschichte von Samson und Dalila, die sie als Papistin nicht kannte.
    »Leider sind wir unterschiedlicher Konfession«, sagte sie und wurde plötzlich ernst. »Das wird, so fürchte ich, unseren Plänen sehr hinderlich sein.«
    »Ich fürchte es auch«, sagte ich und war recht geniert, ihr zu erzählen, wie ich zu meiner Erkenntnis gelangt war.
    Sie schwieg dazu, heftete ihre schwarzen Augen auf mich und schien hastiger zu atmen. Der Raum war rund und eng, wir mußten nah beieinander stehen wie etwa die Verteidiger der Burg, wenn sie auf mögliche Belagerer schossen. Doch obwohl wir uns nicht anrennender Banden zu erwehren hatten, waren unsere jungen Leben gleichsam belagert von feindlichen Kräften.
    »Meine Amme hat mir oft gesagt: Wenn eine Frau einem Mann den kleinen Finger gibt, will er die ganze Hand.«
    »Mir scheint, das hängt vom Manne ab«, erwiderte ich mit erstickter Stimme. »Wenn er Achtung vor der Frau hat, wird er so nicht handeln.«
    »Ist das wahr, mein Pierre?« Sie schien ein bißchen zu schwanken. »Und wenn ich Euch einen Kuß gebe, verlangt Ihr dann einen zweiten?«
    »Angelina«, sagte ich ernst, »ich möchte nur, was Ihr möchtet, mehr nicht.«
    Da legte sie ihre Hände um meinen Hals und drückte mir, die Arme halb von sich gestreckt und ohne mich am Körper zu berühren, einen Kuß auf die Lippen. Es war ein sehr kurzes, leichtes Küßchen, verglichen mit anderen, die ich bisher empfangen hatte. Aber bis heute erinnere ich mich seiner, als stünde ich noch immer mit Angelina in diesem Schilderhaus und fühlte ihre Arme auf meinen Schultern.
    »Mein Pierre«, sagte sie, »wir haben uns hier zum letzten Mal getroffen, und ich möchte, daß Ihr mich morgen, ehe Ihr fortreitet, vor allen anderen nicht mehr mit gar zu beredtem Blick anschaut.«
    »Aber was soll ich tun? Mich von Euch abwenden?«
    »Nein, nein! Einen letzten Blick wollen wir schon noch wechseln.«
    Doch so achtsam ich war beim Abschied, mein Vater täuschte sich nicht über meine Gefühle oder war wohl schon längst im Bilde. Als er mich im Wald von Barbentane desto versonnener und bekümmerter sah, je weiter wir uns vom Schloß der Montcalms entfernten, befahl er mir, vorauszureiten und den Weg zu erkunden.
    Was ich denn auch tat. Aber schon nach wenigen Minuten hörte ich hinter mir ein Galoppieren und sah meinen Vater nahen.
    »Mein Herr Sohn«, sprach er in seinem scherzhaften Ton, als wir gleichauf ritten, »ich sehe einen schönen Ring an Euerm kleinen Finger, der mir gestern noch nicht aufgefallen ist. Habt Ihr Euch einem Fräulein versprochen?«
    »Ja, mein Herr Vater, sofern Ihr erlaubt.«
    »Ha!« sagte Jean de Siorac, halb im Ernst, halb im Spaß, »mir scheint, Ihr holt meine Erlaubnis erst nach vollendeter Tatsache ein!«
    »Monsieur, ich bitte um Vergebung. Ihr wart nicht da. Ich konnte nicht warten.«
    »Versteh ich. Doch Ihr seid noch sehr jung. Und seid Zweitgeborener. Habt so viel Geld, wie ich hier auf der Hand habe.«
    »Wir wollen warten, bis ich mein Glück gemacht habe.«
    »Und Ihr meint, Monsieur und Madame de Montcalm werden Euch akzeptieren?«
    »Das weiß ich nicht«, sagte ich und verschwieg ihm meinen großen Zweifel.
    Da wurde er nachdenklicher, obwohl er den leicht scherzhaften Ton beibehielt. (Doch vielleicht war es nur Maske, um seine Verlegenheit zu verbergen.)
    »Wie ich sehen konnte, genießt Euer Vater in dieser Familie einiges Ansehen, wie auch Samson und Ihr. Man bezeigt Euch Dankbarkeit, was selten ist. Und obwohl man Papist ist, geht man nicht leichtfertig um mit dem Gefühl und versteigt sich nicht in Eitelkeiten. Man hat Herz. Und es sind vorzügliche Leute mit guten Verbindungen im Languedoc, recht wohlhabend außerdem, auch wenn sie ihr Anwesen eher schlecht bewirtschaften. Sie haben nur den Fehler, daß sie sich zuviel auf ihre Abstammung einbilden. Ist aber eine mindere Sünde. Weiß man denn, was Eure Urenkel einst über den Helden von Calais
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