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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Autoren: Robert Merle
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Zweitgeborener.«
    »Aber er zeigt Talente, die an sein Fortkommen glauben lassen«, sagte Monsieur de Montcalm.
    »Ihr habt schon recht, doch der Unterschied im Glauben bleibt.«
    »Ha, Madame, da eben drückt mich der Schuh! Freilich ist Pierre kein Eiferer, man kann auf Bekehrung hoffen.«
    »Oh, das würde aber seinem Vater mißfallen, der sein Abgott zu sein scheint.«
    Zu meiner großen Erleichterung verließen sie hierüber den Saal. Ich blieb auf meiner Bank zurück, hoffend und zugleich niedergeschlagen, denn wie es schien, wurde ich weder akzeptiert noch abgewiesen.
    Im Ablauf der Tage änderte sich nichts, ich durfte Angelina ganz nach meinem Belieben sehen, dabei Madame de Montcalm immer nur kurze Zeit zugegen war: sie war eine so quirlige Frau, daß sie es allenfalls eine halbe Stunde am selben Fleck aushielt, bevor sie enteilte. Monsieur de Montcalm begegnete mir sehr freundlich; zu Samson, an dem er einen Narren gefressen hatte, hörte ich ihn eines Tages sagen, es tue ihm sehr leid, daß mein Vater uns holen wolle, er würde uns gern den ganzen Winter bei sich behalten.
    Was leider nicht sein konnte. Ich hatte nur Aufschub, und die Tage, anders als bei der Genesung, verflogen viel zu schnell. Mein Vater traf Mitte November ein, begleitet von unseren Vettern Siorac, vom Gascogner Cabusse und unserem Steinhauer Jonas, allesamt kriegsmäßig gerüstet.
    Ha, Leser, war das ein Umarmen! Als mein Vater absaß, warf ich mich ihm an die Brust, und indes er mich an sich drückte, funkelten seine blauen Augen vor Freude! Mein lieber Bruder Samson wartete artig, bis die Reihe an ihm war und nicht weniger stürmische Begrüßung ihm zuteil ward; denn mochte mein Vater mich sehr bewundern, so liebte er ihn, den Bastard, darum nicht minder. Dann erhaschten uns die beiden Vettern, ich wechselte aus einer Umarmung in die andere und landete bei Cabusse.
    »Cabusse!« rief ich, wieder Worte findend, die mir beim Anblick meines Vaters vor Freude abhanden gekommen waren. »Du kommst ohne Coulondre Eisenarm?«
    »Er mußte in seiner Mühle bleiben wegen der vielen Arbeit.«
    »Und deine Cathau?«
    »Die ist schwanger«, sagte Cabusse stolz und zwirbelte seinen Schnurrbart.
    Cabusse, ganz wie ich ihn in Erinnerung hatte! Vor Freude umarmte ich ihn gleich noch einmal.
    »Moussu, darf ich?« fragte der Herkules Jonas, weil er kein alter Soldat der Herren Brüder war.
    »Jonas, da fragst du noch? Und wie geht es der Sarrazine?«
    »Sie ist schwanger«, sagte Jonas und senkte den Blick. »Freust du dich nicht?«
    »Ach, Moussu, so viele Frauen sterben überm Gebären, mir ist bei dem Gedanken ganz bang.«
    »Denk nicht dran!« sagte mein Vater und mußte unverhofft selber dran denken – auch meine Mutter war im Kindbett gestorben.
    Unterdessen kam Monsieur de Montcalm die Freitreppe herab, mit ausgebreiteten Armen.
    »Herr Baron! Welch ein Vergnügen, in meinem Haus den Helden von Ceresole und von Calais zu begrüßen.«
    »Monsieur de Montcalm, das einzig Heldische daran ist, daß ich mit dem Leben davongekommen bin«, entgegnete mein Vater in seiner heiteren und etwas selbstironischen Art. »Der Rest war Kriegsglück. Und ich hatte es nur mit Menschen zu tun, hingegen Euer großer Dieudonné de Gozon ganz allein einen Drachen niederfocht!«
    »Ich weiß nicht, ob ich seiner würdig bin«, sagte Monsieurde Montcalm, erfreut darüber, daß mein Vater Kenntnis von seiner rühmlichen Abkunft hatte. »Denn wie Ihr wißt, habe ich das Kriegshandwerk gegen das Amt eines königlichen Beamten eingetauscht.«
    »Cedant arma togae
1
«
, sagte mein Vater und genoß das Latein auf seinen Lippen wie einen guten Wein.
    »Dagegen man in Eurem Falle sagen müßte:
Cedant arma aratro
2 «, entgegnete Monsieur de Montcalm, auch er nun mit feiner, genüßlicher Miene.
    Hierauf sie beide lächelten. Nun sie sich gegenseitig Komplimente gemacht, einer des anderen Tapferkeit und edle Abstammung gepriesen hatte, gar noch in Latein, in das beide vernarrt waren, sah ich voraus, daß sie gute Freunde würden, zumal sie passionierte Jäger waren, überdies so gern wie den Bock auch den Rock jagten und darin kaum gealtert waren.
    »Ein prächtiges Schloß«, fuhr mein Vater in seinem Kompliment fort, »und wie ich sehe, gut befestigt.«
    »Und dennoch hätte ich es verloren ohne Eure Söhne, die so tapfer wie schön sind.«
    Da war mein Vater so bewegt, daß er errötete. Er brachte kein Wort hervor, verneigte sich nur stumm. Unser Gastgeber, der
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