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In Schinkenbüttel ist der Affe los!

In Schinkenbüttel ist der Affe los!

Titel: In Schinkenbüttel ist der Affe los!
Autoren: Werner Schrader
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versuchten Gefesselte, sich zu befreien, und Freie, sie zu fesseln.
    Da erschien der Detektiv Sebastian Fliegenschmidt in der Tür, überschaute mit einem Blick die Lage und gebot mit lauter Stimme Ruhe. Das hätte er aber lieber nicht tun sollen, denn sofort stürzte sich ein Schinkenbütteler auf ihn und bemühte sich, ihm die Arme auf den Rücken zu drehen. „Das ist er!“ schrie er dabei. „Genauso wurde er mir beschrieben! Los, Leute, helft mit! Dieser Mann hier ist ein gemeiner Mörder.“
    Sebastian Fliegenschmidt lachte laut auf, schlug dem Übereifrigen mit dem Hinterkopf auf die Nase und befreite sich mit einem geschickten Griff, der auf Seite achthundertundsechzehn seiner Tausend Winke für einen Kriminalisten beschrieben war.
    „Keiner rührt sich vom Fleck!“ schrie er darauf den verbissenen Kämpfern rund um sich herum zu. „Das Haus ist umstellt, auf Ein- und Ausgänge und alle Fenster sind Maschinengewehre gerichtet. Heben Sie die Hände hoch und treten Sie an die Wand zurück!“
    Auch diesen Trick hatte er aus seinem klugen Buch gelernt. Es war die sogenannte Überrumpelung unter Vortäuschung falscher Tatsachen. Natürlich war das Haus nicht umstellt, es sei denn von den Bäumen auf der Schützenwiese, und die hielten keine Maschinengewehre auf die Ein- und Ausgänge gerichtet. Aber das wußten die zornigen Kämpfer ja nicht. Darum wirkte der Trick augenblicklich.
    Alle hoben die Hände in die Höhe und suchten einen Platz an der Wand. Zum Glück war die Schützenhalle sehr lang und bot Wandfläche genug, sonst hätten einige der Überrumpelten mitten im Raum stehen müssen.
    Zufrieden beobachtete Sebastian Fliegenschmidt die Wirkung seines Befehls. Er reckte sich stolz, als ein Mann rief: „Mensch, Leute, das ist ja der berühmte Detektiv Fliegenschmidt, der heute in der Zeitung abgebildet ist!“
    Kühl und gelassen wartete er, bis völlige Ruhe eingetreten war, verbot, indem er den Finger auf den Mund legte, auch das leiseste Flüstern im Raum und zog dann langsam und bedeutungsvoll den Streifen aus der Tasche, auf den sein genialer Roboter die Beschreibung des Täters getippt hatte, des Täters, den so viele gefunden zu haben glaubten. Er las ihn noch einmal durch, nickte vieldeutig und hielt eine Ansprache.
    „Ich sehe“, begann er, „daß meine Aktion Schneeball mehr Mörder und Strauchdiebe ans Licht gefördert hat, als ich in Schinkenbüttel vermutete. Ich sehe aber auch, daß mancher Unschuldige eine Fessel trägt. Darum werde ich jetzt die Gefesselten testen und verhören, um den wahren Schuldigen herauszufinden. Alle anderen können wieder nach Hause gehen.“
    Daraufhin verließen etwa sechzig Leute den Saal. Sebastian wandte sich nun scharf an die Bleibenden.
    „Der Mörder ist unter Ihnen“, sagte er und fuhr mit seinen Augen blitzschnell die lange Reihe der Gefesselten entlang. „Er steht dort an der Wand und macht ein harmloses Gesicht, damit man ihm seine Bosheit nicht ansieht. Aber ich durchschaue ihn, ich sehe ihm bis auf den Grund seiner schwarzen Seele. Darum rate ich ihm, vorzutreten und seine Schuld zu bekennen. Das spart uns allen Zeit und Arbeit.“ Die Leute warfen sich gegenseitig verstohlene Blicke zu, weil jeder dem andern ein Verbrechen zutraute, aber niemand trat vor.
    Sebastian nickte grimmig.
    „Ich habe es nicht anders erwartet“, sagte er. „Ein Verbrecher hat keine Ehre. Na, mir soll es recht sein. Dann muß ich sie alle testen. Fangen wir mit dem Springen an.“
    Er sah sich suchend im Saale um, nahm einen Besen, der in einer Ecke stand, schob zwei Tische bis auf etwa einen Meter zusammen und legte den Besen quer über die Platten. „Los, meine Herrschaften“, forderte er die verblüfften Schinkenbütteler auf, „springen Sie über den Besen. Aber hübsch der Reihe nach! Dadurch wird sich die Spreu sogleich vom Weizen trennen.“
    Die Leute sahen sich fragend an und zuckten die Schultern. Viele waren seit ihrer Schulzeit nicht mehr gesprungen und hatten darum keinen rechten Mut. Aber es half ihnen nichts, sie mußten alle ihre Nachthemden und Morgenröcke raffen und den Sprung wagen. Für die Jüngeren war das keine Aufgabe, sie hüpften fast ohne Anlauf über den Besenstiel; die Älteren aber stellten sich recht ungeschickt an. Wenn sie geahnt hätten, daß das ein Zeichen ihrer Unschuld war, hätten sie sich gefreut. So aber schauten sie recht betreten drein. Ja Frau Malwine Langheinecke fing sogar an zu weinen, als sie sich auf den
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